Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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legt, als vielmehr auf den ganzen Menschen und er dessen gesamte Lebensumstände<br />
in die psychiatrische Therapie einbezieht. Somit gleichen seine Ideen zu<br />
einer „direct-psychischen Methode“, die er nämlich als sein Mittel der ersten<br />
Wahl anempfiehlt, Vorannahmen des heutigen Begriffs der Psychotherapie. Im<br />
Übrigen führte Heinroth auch den Begriff des „Psychosomatischen“ in die medizinische<br />
Weltliteratur ein und wird sogar als Schöpfer dieser gesamten Disziplin<br />
betrachtet. Zweifelsfrei darf bei all dem natürlich nicht übersehen werden, dass<br />
sich seine irrenärztliche Kunst ganz wesentlich auf prophylaktische Lebensratschläge<br />
verlegen muss und diese, genau wie sein verhaltenstherapeutischer<br />
Behandlungskatalog, auf theologischen, philosophischen, psychagogischen und<br />
ärztlich-patriarchalischen Überlegungen beruhen.<br />
Lehrveranstaltungen, die eben vornehmlich rein theoretische Lektionen gewesen<br />
sein müssen, wird Heinroth bis zu seinem Tode 1843 anbieten. Die Anzahl pro<br />
Semester schwankt, oft sind es zwei, manchmal drei oder eine. Die Themen variieren<br />
ebenfalls, meist wartet er mit zwei verschiedenen Wissenschaftsbereichen<br />
auf: zur Psychischen Heilkunde mit Semiotik, Pathologie, Therapie und Theorie,<br />
des Öfteren darüber hinaus Medizinische Anthropologie oder Kriminal-Psychologie<br />
bzw. Forensik. Gerade auch dem letzteren Gebiet wandte er sich zu, denn<br />
einige Jahre versah er zugleich das Amt des Arztes des <strong>Leipzig</strong>er Stockhauses.<br />
Als Gutachter der Medizinischen Fakultät während des berühmten Prozesses<br />
gegen Johann Christian Woyzeck (1780 – 1824) 1821 – 1824 wurde er entgegen<br />
verbreiteter Darstellung jedoch nicht bestellt, denn erst 1830 musste er gegen<br />
seinen Widerstand in die Fakultät eintreten, der er als Dekan turnusgemäß einmal,<br />
1842, vorstand. Immerhin lassen aber die Titel einiger seiner Kollegien das<br />
wirklich ernsthafte Bemühen erkennen, seine Tätigkeit als Hochschullehrer und<br />
sein Amt als Hausarzt zu verbinden, um den Medizinstudenten im Georgenhaus<br />
auch klinische Demonstrationen an Kranken ermöglichen zu können.<br />
Bereits am Tage nach Heinroths Ableben am 26. Oktober 1843 zeigt der Dekan<br />
der Medizinischen Fakultät, der viel gerühmte Anatom Ernst Heinrich Weber<br />
(1795 – 1878), dem vorgesetzten Ministerium für Cultus und öffentlichen Unterricht<br />
an, dass die Fakultät keinen Wert darauf lege, dass ein eigenständiger<br />
seelenheilkundlicher Lehrstuhl weiter bestehen bleibe und man vielmehr diesen<br />
mit anderen zusammenzulegen wünsche. Ohne Umschweife begründet man dies<br />
mit einer Erhöhung der Einkünfte der Professorenschaft. Und ebenfalls mit Hilfe<br />
einer deutlichen Gehaltsaufbesserung seinerseits kann dann tatsächlich der außerordentliche<br />
Professor für Hygiene und Allgemeine Pathologie Justus Radius<br />
(1797 – 1884) für einen psychiatrischen ‚Teillehrstuhl‘ und die Fortführung des<br />
Unterrichts in psychischer Heilkunde interessiert werden. Ab dem Winterse-<br />
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