Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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sophie klar umrissen, das er in einer Abhandlung anlässlich des 100. Todestages<br />
von Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855) vertieft hat.<br />
Die <strong>Leipzig</strong>er Zeit umfasst die wissenschaftlich ertragreichsten Jahre Kählers.<br />
Obwohl der eigenständig Denkende und Handelnde den politischen Spannungen<br />
nicht mehr widerstehen mochte und schließlich 1957 <strong>Leipzig</strong> verließ, um an der<br />
TU Berlin tätig zu sein, wirkte er durch seinen Schülerkreis nachhaltig weiter<br />
in der Messestadt. Relegierte Studenten hatten in seiner Wohnung Privatissima<br />
erhalten, für die Freilassung des inhaftierten Studentenpfarrers Schmutzler hatte<br />
er sich eingesetzt, sodass der Druck auf ihn unerträglich geworden war. 1980<br />
hat er <strong>Leipzig</strong> noch einmal besucht, und in den 90er Jahren im hohen Alter noch<br />
einen beeindruckenden Vortrag im Mathematischen Institut gehalten. In <strong>Leipzig</strong><br />
ist auch sein italienisch geschriebenes Hauptwerk „Geometria aritmetica“ (1958)<br />
entstanden, das viele Jahre im Mittelpunkt seiner Seminare stand und Arithmetik,<br />
algebraische Geometrie und Funktionentheorie verbindet. Schließlich soll<br />
noch erwähnt werden, dass er in <strong>Leipzig</strong> begonnen hatte, Russisch, Sanskrit und<br />
Chinesisch zu erlernen.<br />
An die Berliner Jahre (1958 – 1964) schloss sich eine Lehrtätigkeit als Nachfolger<br />
Artins in Hamburg an; 1974 wurde Kähler in Hamburg emeritiert. In diese<br />
Hamburger Zeit fallen gehäuft Schicksalsschläge, die Kählers Leben veränderten:<br />
Kurz nach dem Wechsel nach Hamburg verunglückte sein zweiter Sohn<br />
Reinhard (1948 – 1966) tödlich, bald danach seine Frau und schließlich einige<br />
Jahre später seine Tochter (1942 – 1988). Solche tragischen Ereignisse ändern<br />
zwangsläufig die Lebensweise, und das persönliche Leid schlug sich zweifelsohne<br />
auch in Kählers philosophischem Denken nieder, dem Plato (427 – 347 v. Chr.),<br />
Arthur Schopenhauer (1788 – 1860), Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) und<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) sehr vertraut waren und das in seinem<br />
Leben stets eine große Rolle gespielt hatte. Er bemühte sich jetzt, Philosophie,<br />
Mathematik und Naturwissenschaften mathematisch – in more geometrico – zu<br />
erfassen. „Welchen naturwissenschaftlichen Sinn haben die in Arithmetik und<br />
Algebra angesammelten Reserven der reinen Mathematik?“, fragte er bereits<br />
1955, und diese Sicht, insbesondere mathematische Deutungsweisen philosophischer<br />
Sachverhalte, zeigen sich immer betonter in den seit 1978 veröffentlichten<br />
Schriften zur Monadologie. Nicht alle sind ihm hier gefolgt.<br />
1974 wurde Kähler emeritiert, zwei Jahre zuvor hat er nochmals geheiratet.<br />
Im Jahr der Emeritierung siedelten die Kählers nach Wedel bei Hamburg um,<br />
aber er nahm am wissenschaftlichen Leben des Instituts weiter teil und lud im<br />
Anschluss an Kolloquia oder Ähnliches gern Gäste in sein Wedeler Heim ein.<br />
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