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Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

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Der Gebhardt nachgesagte Habitus und sein Arbeitsstil bezogen sich also auf<br />

seine philologische Gelehrsamkeit, die sich mit einem kritischen historischen<br />

Bewusstsein paarte. Beides hatte er mit seinem Freund Adolf von Harnack gemeinsam,<br />

und beides machte die Exzellenz der Kirchengeschichtswissenschaft<br />

und der Evangelischen Theologie dieser Zeit aus. Anders als Harnack wendete<br />

Gebhardt das Bewusstsein des historischen Gewordenseins aller Dinge aber<br />

nicht in eine Kritik am Umgang der Evangelischen Kirche mit der christlichen<br />

Tradition.<br />

Herkunft und Lebensweg hätten Gebhardt eigentlich in eine Tätigkeit innerhalb<br />

der Kirche oder einer Theologischen Fakultät führen müssen. Am 22. Juni 1844<br />

in Wesenberg (heute: Rakvere) in Estland geboren und schon mit vier Jahren<br />

zum Vollwaisen geworden, wuchs er bei seinem Onkel, einem Pastor, auf. 1862<br />

nahm er das Studium der Theologie in Dorpat auf und setzte seine Studien dann,<br />

wie es üblich war, in Deutschland fort. 1867 ging er nach Tübingen, später studierte<br />

er in Erlangen, Göttingen und <strong>Leipzig</strong>. In <strong>Leipzig</strong>, wo er sich von 1872<br />

bis 1876 (mit einer kurzen Unterbrechung durch seine Straßburger Zeit) aufhielt,<br />

lernte er schon im ersten Jahr den um sieben Jahre jüngeren Adolf von Harnack<br />

kennen, gleich ihm aus einer deutschbaltischen Familie stammend. Dass Gebhardt<br />

die Theologie weder auf der Kanzel noch auf dem Katheder zur Profession<br />

machte, sondern sich dem Bibliothekswesen verschrieb, wurde von den Zeitgenossen<br />

mit seinem Streben nach Unabhängigkeit und mit seinen wissenschaftlichen<br />

Vorlieben erklärt. Zugleich wurde betont, Gebhardt sei der Kirche immer<br />

eng verbunden geblieben.<br />

Die Freundschaft mit Adolf von Harnack war überaus produktiv. Die „Texte<br />

und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur“, eine bis heute<br />

erscheinende Reihe für Editionen und literaturgeschichtliche Untersuchungen,<br />

wurden von beiden seit 1882 herausgegeben. Durch seine Editionen konnte Gebhardt<br />

seine bibliothekarischen Interessen mit den philologischen und – rechnet<br />

man die Edition christlich-antiker Quellen zur unabdingbaren Grundlagenforschung<br />

in seinem Studienfach – den theologischen verbinden. Die Auffindung<br />

von Handschriften erforderte bibliotheks- und kirchengeschichtliche Kenntnisse,<br />

die textgeschichtliche Zuordnung und Datierung verlangte nach fundiertem paläographischem<br />

Wissen. Gebhardt war ein intimer Kenner der Geschichte des<br />

italienischen Bibliothekswesens. Ein besonderer Fund gelang ihm 1879 zusammen<br />

mit Adolf von Harnack im kalabrischen Rossano, wo die beiden wissenschaftlichen<br />

Gefährten eine Handschrift des Matthäus- und des Markusevangeliums<br />

aus dem 6. Jahrhundert mit aufwendigen Illustrationen entdeckten. Durch<br />

die Publikation der Bildtafeln leisteten sie auch einen Beitrag zu der in dieser<br />

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