Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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seine Lettres d‘Allemagne, die er in den Jahren 1929 bis 1955 für die Schweizer<br />
Zeitschrift „Le droit d‘auteur“ verfasste, um über die Entwicklung des Urheberrechts<br />
in Deutschland zu berichten.<br />
Auch mit seinen prozessrechtlichen Veröffentlichungen griff de Boor zunächst<br />
in die Reformdebatte ein. 1924 schrieb er einen „Beitrag zur Lehre von der<br />
Schriftlichkeit im neuen Zivilprozeß“, dessen Haupttitel „Die Entscheidung nach<br />
Lage der Akten“ lautete. 1938 äußerte er sich zur „Reform des Zivilprozesses.<br />
Vom Sinn staatlicher und ständischer Gerichtsbarkeit.“ 1939 behandelte de Boor<br />
„Die Auflockerung des Zivilprozesses. Ein Beitrag zur Prozessreform“. Auch<br />
seine zivilprozessualen Aufsätze galten überwiegend der Prozessrechtsreform.<br />
Abermals ein Jahr später veröffentlichte er sein erstes Lehrbuch unter dem Titel<br />
„Rechtsstreit einschließlich Zwangsvollstreckung“. Das Werk erschien nach dem<br />
2. Weltkrieg unter einem anderen Titel (Zivilprozeßrecht, 1951) in 2. Auflage.<br />
Einige Aufsatztitel deuten eine Annäherung an das nationalsozialistische Rechtsdenken<br />
an: „Die Funktion des Zivilprozesses in der völkischen Rechtsordnung“<br />
und „Funktion des Zivilrechtes in der völkischen Rechtsordnung“ (beide 1938).<br />
Das bedeutet aber keinesfalls, dass de Boor nicht kritische Distanz gegenüber<br />
dem Nationalsozialismus gehalten hätte. Auch sein Lehrbuch zum Zivilprozess<br />
nimmt die Fachbezeichnung auf, die die Studienreform von 1935 mit sich gebracht<br />
hatte (Rechtsstreit einschließlich Zwangsvollstreckung). Dennoch versucht<br />
de Boor gerade hier, aber nicht nur hier, unter Anerkennung der politischen<br />
Gegebenheiten („Lebensordnung des Volkes“) möglichst viele liberale Verfahrensgrundsätze<br />
zu bewahren. Insbesondere verteidigt er energisch die richterliche<br />
Unabhängigkeit gegen das Führerprinzip: „Wenn auch die völlig gleichmäßige<br />
Anwendung“ des Rechts „ein unerreichbares Ziel ist, …, so dürfte doch die<br />
Rechtsprechung unabhängiger Gerichte die bestmögliche Annäherung an dieses<br />
Ziel schaffen. So gesehen ist also die sog. Unabhängigkeit der Gerichte, die ja<br />
zugleich strenge Bindung an die Rechtsordnung ist, das der Rechtspflege angemessene<br />
Mittel, dem Willen der politischen Führung Geltung zu verschaffen.“<br />
Bernd-Rüdiger Kern<br />
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