Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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Geographie ablesbar. Für Lamprecht und Kötzschke war nämlich in <strong>Leipzig</strong> die<br />
Begegnung mit Friedrich Ratzel (1844 – 1904) von Bedeutung geworden, der<br />
zu den Begründern einer modernen Geographie gehörte. Sowohl die von Ratzel<br />
entwickelten Ansätze der Anthropogeographie, die auf die Wechselwirkungen<br />
zwischen Mensch und Erdoberfläche zielten, als auch die damit verbundene<br />
politische Geographie sind prägend für die <strong>Leipzig</strong>er Landesgeschichte gewesen.<br />
Ratzels programmatisches Diktum „Im Raum lesen wir die Zeit“ wurde<br />
von Kötzschke aufgegriffen und führte zu methodischen Neuansätzen, die weit<br />
über Sachsen hinaus gewirkt haben. Bereits 1898 war es auf Anregung Ratzels<br />
im Geographischen Seminar zur Gründung eines Historisch-geographischen<br />
Instituts gekommen. Aus der von Karl Lamprecht geleiteten Abteilung für historische<br />
Geographie mittlerer und neuerer Zeiten, an der Kötzschke als Assistent<br />
beschäftigt war, ist das Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde hervorgegangen.<br />
Hier entwickelte Rudolf Kötzschke die methodischen Neuansätze und Arbeitsvorhaben,<br />
die ihn zeitlebens beschäftigen sollten. Wenn für Kötzschke seit etwa<br />
1900 Landesgeschichte ganz wesentlich zur Siedlungsgeschichte wurde, dann<br />
ist dafür allerdings nicht nur der allgemeine Einfluss von Ratzel verantwortlich<br />
gewesen. Entscheidende methodische Anstöße hatte er auch August Meitzens<br />
Buch „Siedlung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten,<br />
Römer, Finnen und Slawen“ (1895) und der darin angewandten kartographischen<br />
Methodik zu verdanken. Siedlungsgeschichte im Sinne Kötzschkes zielte<br />
auf größere Zusammenhänge der Agrar-, Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte.<br />
Die Kartographie wurde durch ihn zu einer konsequent angewendeten<br />
historischen Methodik und mündete in zwei große landesgeschichtliche Arbeitsvorhaben<br />
ein: Den „Atlas typischer Flurkarten zur Geschichte der Agrarverfassung“<br />
konnte Kötzschke zwar fertigstellen, doch verbrannten bei einem Luftangriff<br />
auf <strong>Leipzig</strong> 1943 alle Vorarbeiten. Weniger weit gediehen waren damals<br />
die Arbeiten am „Historischen Atlas von Sachsen“, der aber seit 1998 als „Atlas<br />
zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen“ unter der Herausgeberschaft des<br />
Kötzschke-Schülers Karlheinz Blaschke veröffentlicht wird.<br />
Sowohl auf dem Gebiet der Siedlungsgeschichte als auch der Landesgeschichte<br />
hat Kötzschke schulebildend gewirkt. In seinem Seminar sind von 1906 bis zu<br />
seiner Emeritierung 1935 über 100 Dissertationen zu Themen der allgemeinen<br />
Siedlungs- und Agrargeschichte wie auch zur sächsischen Landesgeschichte<br />
entstanden. Als seine bedeutendsten Schüler sind Karlheinz Blaschke, Heinz<br />
Quirin, Herbert Helbig und Walter Schlesinger zu nennen. Schlesinger hat als<br />
Ordinarius in Berlin, Frankfurt und Marburg die westdeutsche Mittelalterfor-<br />
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