Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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Die hochschulpolitischen Umstände, unter denen der 1856 in Jessen an der Elster<br />
geborene Pfarrerssohn Karl Lamprecht als Professor zurück in seine Studienstadt<br />
<strong>Leipzig</strong> kam, waren durchaus ungewöhnlich. Nach einer Dissertation in mittelalterlicher<br />
Geschichte 1878 in <strong>Leipzig</strong> hatte er sich der vergleichenden Sozial- und<br />
Wirtschaftsgeschichte im Grenzraum zwischen Frankreich und Deutschland zugewandt.<br />
Doch die erfolgreiche Habilitation 1883 in Bonn brachte ihm zunächst<br />
nicht den ersehnten Ruf auf einen Lehrstuhl, sodass er mit dem Angebot des<br />
Kölner Industriellen und Mäzenaten Gustav Mevissen vorlieb nehmen musste,<br />
sich für einige Jahre in die Geschichte der Rheinprovinz einzuarbeiten und eine<br />
Geschichte des deutschen Wirtschaftslebens im Mittelalter zu verfassen, deren<br />
erster Band 1885 erschien.<br />
Während er kaum Unterstützung bei seinen Kollegen fand, hatte die lenkende<br />
Hand der preußischen Kultusbehörde, Friedrich Althoff, den ehrgeizigen und mit<br />
reichlich Organisationstalent ausgestatteten Lamprecht fest für die Erneuerung<br />
der deutschen Hochschullandschaft eingeplant. Ihm verdankte Lamprecht 1889<br />
ein Extraordinariat mit festem Gehalt in Bonn und die reguläre Lehrtätigkeit in<br />
Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. 1890 bot sich dem Ministerialdirektor eine<br />
Gelegenheit, Lamprecht nach Marburg zu lenken, aber bevor er noch den Lehrstuhl<br />
einnehmen konnte, folgte eine ebenfalls von Althoff empfohlene Berufung<br />
nach <strong>Leipzig</strong>.<br />
Lamprechts Dienstantritt erfolgte zu einem Zeitpunkt, da die <strong>Leipzig</strong>er Alma<br />
mater rasch wuchs, wenn auch nicht mehr so schnell wie in den 1870er Jahren,<br />
als selbst Berlin von ihr überflügelt wurde. Franz Eulenburg drückt in seiner<br />
Untersuchung der studentischen Nachfrage das Gefühl der Krise aus, nachdem<br />
der zweite Platz unter den deutschen <strong>Universität</strong>en eben an München verloren<br />
gegangen war: „Es [<strong>Leipzig</strong>] muß sich mit dem dritten Platze begnügen und<br />
nimmt nicht mehr mit dem Wachstum der Gesamtheit zu: <strong>Leipzig</strong> scheint in ein<br />
Stadium der Stagnation eingetreten.“ Gleichzeitig sprachen umfangreiche Neubauten<br />
und zahlreiche exzellente Berufungen für ein Vertrauen in die Zukunft,<br />
dem der neu bestallte Professor für mittlere und neuere Geschichte durch besondere<br />
Dynamik gerecht zu werden suchte.<br />
Rasch gelang es ihm durch nachhaltige Intervention beim Dresdener Ministerium,<br />
den Bücheretat des Historischen Seminars aufstocken zu lassen und den<br />
Ausbau der Räumlichkeiten zu erreichen. Auf weniger Gegenliebe bei seinen<br />
Kollegen traf dagegen das Bemühen, durch öffentliche und durchaus polemische<br />
Diskussionsveranstaltungen den Studenten die Attraktivität des Faches<br />
deutlich zu machen. Die enge Kooperation mit Vertretern anderer Disziplinen<br />
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