Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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Im Februar 1525 kehrte Müntzer nach Mühlhausen zurück, wo sich inzwischen<br />
die Reformation durchgesetzt hatte. Er erhielt die Predigerstelle an der Marienkirche.<br />
Eine Auseinandersetzung zwischen dem Rat und den Predigern endete<br />
mit der Neuwahl eines „Ewigen Rates“. Seit Mitte April ergriff die Bauernerhebung<br />
auch Thüringen. Ein Mühlhäuser Aufgebot von 10 000 Mann zog unter<br />
einer von Müntzer mit einem Regenbogen gestalteten Fahne auf das Eichsfeld,<br />
nicht gegen Graf Ernst von Mansfeld, wie es Müntzer wünschte. Für eine Unterstützung<br />
des Frankenhäuser Haufens konnte er nur 300 Mann gewinnen. Bei<br />
ihm angekommen, versuchte er vergeblich, Verstärkung des Bauernheeres zu<br />
gewinnen. Durch Briefe an Fürsten, deren Heer die Bauern einschlossen, trat<br />
er als Wortführer in Erscheinung. Im Vertrauen, dass Gott selbst den Kampf<br />
gegen die Gottlosen zum Sieg führen würde, bewegte er die Bauern, auf weitere<br />
Verhandlungen zu verzichten und sich dem Kampf zu stellen. Am 15. Mai 1525<br />
unterlagen die Bauern sehr schnell dem angreifenden Fürstenheer und suchten<br />
ihr Heil in der Flucht hinter die Mauern von Frankenhausen. Sie wurden aber<br />
von der nachdrängenden Reiterei niedergestochen, so dass um 6 000 ihr Leben<br />
verloren. Müntzer gelang die Flucht in die Stadt, wo er aber entdeckt, gefangengenommen<br />
und seinem Feind Ernst von Mansfeld in Heldrungen übergeben<br />
wurde. Für Müntzer kam diese Katastrophe völlig überraschend. Er hat sie damit<br />
erklärt, „daß ein jeder seinen Eigennutz mehr gesucht als die Rechtfertigung<br />
[Verteidigung] der Christenheit“. Nach einem Verhör, bei dem man auch die<br />
Folter anwendete, wurde er zusammen mit seinem Mühlhäuser Amtskollegen<br />
Heinrich Pfeiffer am 27. Mai 1525 im Heerlager Görmar – östlich vor den Toren<br />
von Mühlhausen – hingerichtet.<br />
Müntzer hat außer seinen liturgischen Schriften nur sechs Flugschriften veröffentlicht,<br />
wovon bei einer Schrift von 500 Exemplaren 400 und einer weiteren<br />
alle in der Druckerei beschlagnahmt wurden. Eine herausragende Bedeutung<br />
erlangte er erst durch den Irrtum einiger Reformatoren – unter ihnen Luther und<br />
Philipp Melanchthon –, Müntzer sei der Urheber der 1524 begonnenen Bauernerhebung<br />
gewesen. Sie wussten zwar um Müntzers Forderung, die Gottlosen zu<br />
vernichten, nahmen aber die davon unabhängigen Sozialkämpfe nicht als solche<br />
wahr. Mit ihren Schriften machten sie Müntzer als Bauernführer publik. Er wurde<br />
zum Inbegriff eines Aufrührers. Sowohl in Flugschriften als auch im fürstlichen<br />
Briefverkehr wurden Unruhen auf den „müntzerischen Geist“ zurückgeführt.<br />
Die sozialistische Bewegung des 19. Jahrhunderts entdeckte den von den Reformatoren<br />
gezeichneten Müntzer als Symbolfigur für eigene Bestrebungen,<br />
indem sie in dem „Aufrührer“ einen vorbildlichen Revolutionär sah. Diese Sicht<br />
hatte nach dem Ersten Weltkrieg, besonders aber in den Anfangsjahren der<br />
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