Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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der Stelle diskutiert, berichtigt und verbessert werden. Dies brachte eine dem<br />
Seminar ähnliche Unterrichtsform hervor, die eine unmittelbarere Beziehung<br />
zwischen Studierenden und Lehrenden herstellte.<br />
Durch seine archäologischen Vorlesungen bereitete Christ als einer der Vorläufer<br />
Johann Joachim Winckelmanns (1717 – 1768) eine neue Sicht auf die<br />
Antike vor. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Beschäftigung mit der<br />
bildenden Kunst des Altertums vernachlässigt worden oder gänzlich unbekannt<br />
gewesen. Es gab zwar viele Schriften antiquarischen Inhalts, aber noch keine<br />
wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kunst der Antike. Ihre Kenntnis war<br />
auf das beschränkt, was zum unmittelbaren Verständnis der Schriftdenkmäler<br />
des Altertums erforderlich war. Antike Kunstwerke galten hierin, anderen Sachaltertümern<br />
gleichgestellt, als antiquarische Belege zur Erläuterung philologischer,<br />
technischer oder ästhetischer Standpunkte, nicht als eigenständige, auf<br />
ihre künstlerische Form hin zu untersuchende Denkmäler. Vor der Mitte des<br />
18. Jahrhunderts begannen Anne Claude Philippe de Tubières, Comte de Caylus<br />
(1692 – 1765), Johann Friedrich Christ und andere Gelehrte, die bildende Kunst<br />
der Antike innerhalb der antiquarisch-philologischen Studien als selbstständigen<br />
Gegenstand der Betrachtung abzugrenzen. Dabei handelte es sich noch nicht um<br />
Archäologie im heutigen Sinne. Die Bemühungen können aber als Ausgangspunkte<br />
dafür angesehen werden, die antiquarisch-philologische Betrachtungsweise<br />
zu überwinden und antiken Kunstwerken einen eigenen Wert beizumessen.<br />
Die Grundlagen für eine Wissenschaft von der antiken Kunst waren gelegt<br />
und innerhalb der Altertumskunde die Verselbstständigung der „Archäologie der<br />
Kunst“ als Forschungs- und Lehrgebiet eingeleitet. Das Verdienst, die künstlerische<br />
Form zum Gegenstand wissenschaftlicher Kunstbetrachtung gemacht und<br />
auf ihrer Grundlage ein chronologisches Gerüst für die Entwicklung der griechischen<br />
Plastik entworfen zu haben, gebührt Winckelmann, dessen „Geschichte<br />
der Kunst des Alterthums“ wenige Jahre nach Christs Tod erschien.<br />
Die Manuskripte seiner archäologischen Vorlesungen hat Christ nie veröffentlicht.<br />
Es existierten jedoch Mitschriften, die 1776 posthum unter dem Titel „Supra<br />
re litteraria. Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich<br />
des Alterthums“ in einer stark überarbeiteten Redaktion von Johann Karl Zeune<br />
(1736 – 1788) erschienen. Zu sehr noch dem antiquarischen Standpunkt der<br />
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verhaftet, war diese Schrift durch die Veröffentlichungen<br />
Winckelmanns im Grunde bereits überholt. Christs Verdienst<br />
bleibt aber, mit seinen Vorlesungen viele Gelehrte während ihres Studiums zu<br />
einer intensiven Beschäftigung mit der antiken Kunst hingeführt zu haben. Neben<br />
Lessing zählte der Altphilologe und Archäologe Christian Gottlob Heyne<br />
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