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Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

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nachdem Lamprechts Versuch, die renommierte „Historische Zeitschrift“ zu<br />

übernehmen, am Einspruch Friedrich Meineckes bei der Verlegerfamilie gescheitert<br />

war.<br />

Spätestens seit der Jahrhundertwende war das Klima im Historischen Seminar<br />

selbst frostig geworden. Dies hatte neben minderen Ursachen vor Ort vor allem<br />

mit einer jahrelangen Kontroverse zu tun, die sich an Lamprechts Hauptwerk,<br />

der 12-bändigen „Deutschen Geschichte“, entzündete. Die einen meinten dabei,<br />

ein vernichtendes Urteil über die fachliche Integrität des Autors und seine methodischen<br />

Vorannahmen gefällt zu haben, für die anderen wurde Lamprecht<br />

zum schulebildenden Vorreiter einer neuen Art Geschichte zu schreiben, dessen<br />

Wirkungen international größer als in seinem Heimatland waren. Während die<br />

letzteren auf die Ansprüche verwiesen, die er seinem riesigen Manuskript (das<br />

im übrigen ein Bestseller wurde und bald trotz – oder wegen – seines Umfangs<br />

in vielen bildungsbürgerlichen Haushalten als Prunkstück im Wohnzimmer<br />

aufgereiht stand) zugrunde gelegt hatte, betonten die ersteren eine fehlerhafte<br />

Durchführung, mit der sich auch die überzogenen Ambitionen erledigt hätten. Im<br />

Kern ging es um die Frage, ob es die Vielgestaltigkeit des historischen Verlaufes<br />

ermöglichen würde, Regelhaftigkeiten zu erkennen, die schließlich einem Vergleich<br />

geschichtlicher Pfade zugrunde gelegt werden könnten. Dies hing unmittelbar<br />

mit der Frage zusammen, ob der Gegenstand der Geschichtswissenschaft<br />

allein die Betrachtung des Staates und der Politik im engeren Sinne sein sollte, wo<br />

die subjektive Intention und Handlungsweise der großen Akteure vorzugsweise<br />

Individuelles hervorbrachte, dem sich der Historiker in einfühlend-erzählender<br />

Weise zu nähern habe, oder ob kulturelle und soziale Phänomene sowie deren<br />

wirtschaftliche Verankerung in der Verfügung über Ressourcen und technologische<br />

Kenntnisse gleichfalls in den Kanon des Faches aufzunehmen seien. Hatte<br />

sich Lamprecht zunächst mit seinen siedlungsgeschichtlichen Analysen und mit<br />

der Untersuchung der wirtschaftlichen Verflechtungen vor allem auf die sozialen<br />

Strukturen konzentriert, so vollzog er mit der „Deutschen Geschichte“ einen<br />

Schwenk hin zu den kulturellen (oder „sozialpsychologischen“) Ausdrucksformen<br />

als zentralem Beobachtungsgegenstand, an dem er das Entwicklungsstadium<br />

einer Gesellschaft ablesen zu können glaubte. Dies hinderte seine Gegner,<br />

die reflexartig auf die Idee von Regelhaftigkeiten mit dem exkommunizierenden<br />

Vorwurf der Nähe zum Marxismus reagierten, nicht, ihm ökonomischen Determinismus<br />

zu unterstellen. Die Schwachstelle des Lamprechtschen Versuchs lag<br />

dagegen viel weniger in einer naiven Verabsolutierung eines einzelnen Faktors<br />

im Gestrüpp gesellschaftlicher Wirkungsbedingungen – gerade dieses Problem<br />

hoffte er mit der Fokussierung auf die kulturellen Ausdrucksformen zu bewältigen<br />

–, sondern in der geringen Erfahrung mit der Serialisierung von Quellen in<br />

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