22.10.2012 Aufrufe

Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

kollationierte Ritschl die umfangreichen Reste einer bislang für die Forschung<br />

nur höchst unzureichend erschlossenen antiken Plautushandschrift, die zu einem<br />

späteren Zeitpunkt palimpsestiert, d. h. mit einem anderen Text überschrieben<br />

worden war. Ritschl erkannte sofort, dass der Text des Mailänder Palimpsests<br />

für die Überlieferung des Plautus den gleichen Wert besaß wie die gesamte<br />

übrige Überlieferung des Mittelalters und dass die vielen neuen Lesarten dieser<br />

Handschrift eine grundsätzlich kritischere, strenge metrische Gesetzmäßigkeit<br />

voraussetzende Konstitution des Komödientextes erforderlich machte. Der Vorbereitung<br />

dieser Ausgabe galt fortan die ganze Kraft des Forschers Ritschl: 1845<br />

erschienen als wichtigste Vorarbeit seine ‚Parerga Plautina et Terentiana‘, die<br />

bis heute nichts von ihrer Frische eingebüßt haben und noch 1965 nachgedruckt<br />

worden sind. Ihre literatur- und überlieferungsgeschichtlichen Ergebnisse sind<br />

längst Allgemeingut der Latinistik geworden. 1848 veröffentlichte Ritschl als<br />

erste plautinische Komödie den Trinummus mit den berühmten ‚Prolegomena‘,<br />

einem 330 Seiten umfassenden editorischen Vorwort: Zum ersten Mal ist<br />

in dieser Ausgabe mit der Jahrhunderte alten Vulgata gebrochen und der Text<br />

auf der methodisch einzig statthaften Grundlage, nämlich dem exakt erfassten<br />

Zeugnis der relevanten handschriftlichen Überlieferung, errichtet. Auf den<br />

Trinummus folgten bis 1858 acht weitere Komödien; nach einer längeren Unterbrechung<br />

setzte Ritschl die Gesamtausgabe 1871 mit drei <strong>Leipzig</strong>er Schülern,<br />

Georg Goetz, Gustav Löwe und Friedrich Schöll, fort, welche diese 1894 zum<br />

Abschluss brachten. In der Zwischenzeit hatte Ritschl versucht, seinen Plautusstudien<br />

eine noch breitere Grundlage zu geben, indem er zur Sicherung der plautinischen<br />

Sprache weitere Zeugnisse des Altlateins heranzog. Auch wenn sich<br />

der Gewinn für Plautus im Nachhinein als geringer erweisen sollte, als Ritschl<br />

gehofft hatte, bedeutete die Erschließung des altlateinischen Sprachmaterials<br />

durch Ritschls Sammlung der lateinischen Inschriften aus republikanischer Zeit<br />

in seinem monumentalen, 1862 erschienenen und 1968 nachgedruckten Werk<br />

‚Priscae latinitatis monumenta epigraphica‘ einen Meilenstein für die lateinische<br />

Epigraphik und die Erforschung der lateinischen Sprachgeschichte. Zwar hat<br />

Ritschl den Abschluss seiner großen Plautus-Ausgabe nicht mehr erlebt; der Ehrentitel<br />

des ‚sospitator Plauti‘, des „Retters des Plautus“, den ihm seine ‚Parerga‘<br />

einbrachten, steht ihm dennoch zu: Seine Arbeiten haben dazu geführt, dass in<br />

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Plautus im Zentrum der lateinischen<br />

Philologie gestanden hat. Dank der weiteren Arbeiten seiner Schüler ebenso<br />

wie seiner Gegner war um 1900 ein Kenntnisstand der plautinischen Metrik und<br />

Sprache erreicht, über den das 20. Jahrhundert nur wenig hinausgelangt ist.<br />

Noch wirkungsreicher als seine Forschung und seine Publikationen ist Ritschls<br />

Tätigkeit als akademischer Lehrer gewesen, der er im übrigen auch selbst die<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!