Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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„Thomaß Munczer de quedilburck“ wurde als 118. und letzter des Wintersemesters<br />
1506/07 in die <strong>Leipzig</strong>er Matrikel eingetragen. Da über sein Alter nichts<br />
bekannt ist und die zeitgenössischen Studenten im Durchschnitt ihr Studium im<br />
17. Lebensjahr aufnahmen, wird aufgrund dieses Eintrages sein Geburtsjahr „um<br />
1489“ angenommen. Er war zwar in Stolberg/Harz geboren, kam aber von der<br />
Lateinschule in Quedlinburg an die <strong>Universität</strong>. Hinter seinem Namen wurde<br />
vermerkt, dass er die übliche Einschreibgebühr von 6 gr. bezahlte. Er nahm also<br />
keine Gebührenminderung in Anspruch. Die zeitweise aufgestellte Behauptung,<br />
Müntzer sei mittellos gewesen und habe infolge seiner Armut revolutionäre<br />
Ideen entwickelt, wird dadurch und durch sein späteres soziales Umfeld widerlegt.<br />
Zum Wintersemester 1512/13 ließ er sich in die Matrikel der <strong>Universität</strong><br />
Frankfurt/Oder einschreiben. Vermutlich erwarb er hier die Titel Magister artium<br />
und Magister theologiae.<br />
Nachdem er in der Diözese Halberstadt zum Priester ordiniert worden war,<br />
erhielt er am 6. Mai 1514 ein Lehen am Marienaltar der St. Michaeliskirche in<br />
Braunschweig, wo er mit der besitzenden Oberschicht Verbindung pflegte. Bald<br />
danach hatte er das Amt des Propstes und Leiters der Schule des Kanonissenstifts<br />
Frose bei Aschersleben inne. 1517 setzte er sein Studium fort, mindestens teilweise<br />
auch in Wittenberg. An allen drei <strong>Universität</strong>en, die Müntzer aufsuchte,<br />
wurden humanistische Studien getrieben. Diese richteten sich besonders auf die<br />
Sprachen Latein, Griechisch und auch Hebräisch, auf antike Autoren, auf die<br />
Heilige Schrift und auf Kirchenväter. Damit war eine entschlossene, mit Polemik<br />
und auch Spott einhergehende Abkehr von der scholastischen Philosophie und<br />
Theologie sowie Kritik an der spätmittelalterlichen Kirche verbunden. Die mittelalterliche<br />
Mystik fand neue Aufmerksamkeit. Alle diese Bestrebungen nahm<br />
Müntzer auf.<br />
Als der Lutherschüler Franz Günther infolge seiner reformatorischen Predigt<br />
in Jüterbog mit den Franziskanern in Streit geriet, ließ er sich um Ostern 1519<br />
von Müntzer vertreten, der mit seiner Kirchenkritik ebenfalls Gegnerschaft auf<br />
sich zog. Er fand Zuflucht als Beichtvater im Zisterzienserinnenkloster Beuditz<br />
bei Weißenfels. Während Martin Luther und Andreas Bodenstein aus Karlstadt<br />
im Sommer 1519 in <strong>Leipzig</strong> auf der Pleißenburg mit Johann Eck disputierten,<br />
war Müntzer vermutlich in der Stadt. Von Luther vermittelt übernahm Müntzer<br />
im Mai 1520 in Zwickau an der Marienkirche die Vertretung des Predigers<br />
Johannes Egranus. Danach übertrug der Rat Müntzer die Predigerstelle an der<br />
Katharinenkirche. Müntzer geriet erst mit den Franziskanern, dann aber auch<br />
mit Egranus und Anhängern Luthers so in Streit, dass er im April 1521 entlassen<br />
wurde. Müntzer hatte die Überzeugung gewonnen, dass nach dem Tod der Apos-<br />
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