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Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

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Das <strong>Universität</strong>sjahr 1409 in Prag war kein gutes Jahr – es war geprägt von politischen<br />

Spannungen und konfessioneller Unruhe wegen der Lehren von Johannes<br />

Hus. Zunächst sah es so aus, als würden sich die Auseinandersetzungen von<br />

1384 wiederholen. Als damals der <strong>Universität</strong>skanzler und Erzbischof von Prag<br />

in die Rechte der nichtböhmischen Nationen eingreifen wollte, wehrten sie sich<br />

gegen diese Zumutung mit der Einstellung der Lehrveranstaltungen und einem<br />

Boykott aller akademischen Graduierungen.<br />

Der Streit eskalierte jedoch im Frühjahr 1409 in ungeahnter Weise: Der König<br />

und die Stadtbürger mischten sich zugunsten der böhmischen Nation ein, es<br />

kam zu Gewalttätigkeiten und Blutvergießen – nun entschieden sich die drei<br />

nichtböhmischen Nationen, die Stadt Prag zu verlassen und den Lehrbetrieb in<br />

der Fremde fortzusetzen. Das erzwungene Exil einer ganzen <strong>Universität</strong>, heute<br />

kaum vorstellbar, war zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Beispiele dafür finden<br />

sich reichlich, so Paris 1229 (Ausweichorte Orleans, Angers), 1209 Oxford<br />

(Ausweichort Cambridge), 1316 Orleans (Ausweichort Nevers). Nicht immer<br />

kehrten die Ausgezogenen zu ihren früheren Quartieren zurück, fast immer aber<br />

entstanden an den neuen Orten wieder <strong>Universität</strong>en, die den Selbstständigkeits-<br />

und Unabhängigkeitswillen der Vorgängereinrichtung erbten.<br />

Wichtigstes Ziel der Exilanten war die Sicherung ihrer Rechtsgüter in der<br />

Fremde – dank der zumeist wohlwollenden päpstlichen Universalgewalt war das<br />

in der Regel kein allzu großes Problem. Dabei kristallisiert sich das Promotionsrecht<br />

als Hauptmerkmal bei der Konstituierung von neuen <strong>Universität</strong>en heraus.<br />

Die verliehenen Grade verbanden nicht nur die einzeln existierenden Hohen<br />

Schulen miteinander, sondern begründeten daneben innerhalb der christlichen<br />

Gemeinschaft des Abendlandes eine neue soziale Schicht – den Gelehrtenstand.<br />

Die Gleichartigkeit und Vergleichbarkeit der Grade sorgten einerseits für eine<br />

soziale Einordnung des Trägers in der akademischen und nichtakademischen<br />

Welt und andererseits bewirkten sie ein Gemeinschaftsgefühl der Gelehrten<br />

(unabhängig von ihrem Fach, ihrem Alter oder ihrer Herkunft). Mit der päpstlichen<br />

oder kaiserlichen Privilegierung des Promotionsaktes erfolgte zugleich<br />

die sozial hochrangige Einordnung der Titelträger in die Stände-Hierarchie der<br />

Gesellschaft. Aus jedem gradus wurde ein status, der seinem Inhaber gewisse<br />

Vorrechte zusicherte.<br />

Um den Anspruch auf Gleichberechtigung mit den schon bestehenden <strong>Universität</strong>en<br />

zu bekräftigen und um die innere Lebensfähigkeit der Fakultäten zu<br />

demonstrieren, war ein baldiger Beginn des normalen Lehrbetriebs in <strong>Leipzig</strong><br />

nötig. Diesen Anspruch nach außen zu dokumentieren, dazu war nichts besser<br />

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