Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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vielmehr die Berechtigung zum Halten von Vorlesungen handle“. Er war mit<br />
dem Bibliothekswesen vertraut genug, um zu ermessen, dass er, wie er ebenfalls<br />
dem Ministerium mitgeteilt hatte, wenigstens in den ersten Semestern nicht dazu<br />
kommen werde, Vorlesungen zu halten. Trotz dieses Entgegenkommens sperrte<br />
sich die Philosophische Fakultät aber immer noch; letztlich wurde sie vom<br />
Ministerium vor vollendete Tatsachen gestellt. Tatsächlich lehrte Gebhardt nie<br />
und konzentrierte sich ganz auf seine Verpflichtungen an der Bibliothek und auf<br />
seine wissenschaftlichen Interessen. 1896 wurde er in die Sächsische Akademie<br />
der Wissenschaften gewählt.<br />
Abgesehen von der <strong>Universität</strong>sgeschichte, ist Gebhardts Bedeutung für die<br />
Wissenschaftsgeschichte hervorzuheben. Sein Name findet sich über einer ansehnlichen<br />
Zahl gelegentlich noch heute in Gebrauch befindlicher Ausgaben<br />
christlicher Texte der Antike. Seine großen Leistungen liegen auf dem Gebiet<br />
der „Patristik“, die zu seiner Zeit die Königsdisziplin innerhalb des Faches war,<br />
das Gebhardt auch studiert hatte, der Theologie nämlich. Jene Disziplin widmete<br />
und widmet sich bis heute nicht nur den „Kirchenvätern“; vielmehr haben<br />
Gebhardt, Harnack und andere ohne Rücksicht auf die theologiegeschichtliche<br />
Bedeutung christliche antike Quellen ediert und untersucht und damit auf in der<br />
Rezeption eher randständige, aber in ihrer Entstehungszeit viel gelesene Texte<br />
hingewiesen. Gebhardt veröffentlichte zum Beispiel das Evangelium und die<br />
Apokalypse des Petrus, Schriften also, die fälschlich unter dem Namen dieses<br />
Apostels umliefen, ebenso einen Roman über Paulus und seine angebliche Gefährtin<br />
Thekla, der in der Spätantike populär war. Zwar lag manches schon in<br />
älteren Ausgaben vor (etwa die altkirchlichen Märtyrerakten und die Schriften<br />
der „Apostolischen Väter“ aus dem 2. Jahrhundert), doch war die Handschriftenbasis<br />
dieser Ausgaben schmal und die ihnen zugrundeliegende editorische<br />
Technik unzureichend.<br />
Seine editorische Tätigkeit hatte Gebhardt 1875 mit der Ausgabe einer griechischen<br />
Handschrift des Alten Testamentes aus der Bibliothek von San Marco in<br />
Venedig begonnen, und das dahinter stehende Interesse, nämlich die Erforschung<br />
der Geschichte von Bibelhandschriften, prägte seine Arbeit neben seinen patristischen<br />
Interessen nachhaltig. Das Interesse am Bibeltext hatten schon zu seinen<br />
Studienzeiten die <strong>Leipzig</strong>er Professoren Franz Delitzsch (im Blick auf das Alte<br />
Testament) und Konstantin von Tischendorf (im Blick auf das Neue Testament)<br />
bei ihm geweckt. Gebhardt machte sich denn auch um den Text des Neuen Testamentes<br />
verdient und bemühte sich um eine Verbesserung schon vorliegender<br />
Ausgaben, darunter auch der seines <strong>Leipzig</strong>er Lehrers Tischendorf.<br />
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