Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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für interdisziplinäre Veranstaltungen, die ein großes Publikum anzogen. Nach<br />
mehreren Umzügen standen seit 1916 in der Talstraße 38 ansehnliche Räumlichkeiten<br />
zur Verfügung, die sich nunmehr mit akademischem Leben füllten.<br />
Eine Studienreise in die USA 1931/32 führte Sigerist auch an das Institute of the<br />
History of Medicine an der Johns Hopkins University in Baltimore, wo er einen<br />
so positiven Eindruck hinterließ, dass ihn die dortige Fakultät einstimmig als<br />
Nachfolger des damals bereits 82-jährigen William H. Welch vorschlug. Sigerist<br />
erkannte das Wetterleuchten der sich ändernden politischen Verhältnisse in<br />
Deutschland und nahm den ehrenvollen Ruf nach Amerika an.<br />
Nach einem zweijährigen Vakuum, in dem die Verwaltungsaufgaben nahezu<br />
unerledigt geblieben waren, wurde im Oktober 1934 Walter von Brunn<br />
(1876 – 1952) auf den Lehrstuhl für Medizingeschichte berufen. Von Brunn hatte<br />
nach einer Armamputation im Ersten Weltkrieg seinen Beruf als Chirurg aufgeben<br />
müssen, sich der Medizingeschichte zugewandt und sich 1919 unter der<br />
Anleitung Sudhoffs gründlich in die Materie eingearbeitet; als „Brotberuf“ bis<br />
zur Berufung nach <strong>Leipzig</strong> diente ihm eine Stelle als Stadtschularzt in Rostock.<br />
Zunächst musste von Brunn die chaotischen Verhältnisse im Institut ordnen,<br />
1936 einen Umzug (in die Talstraße 33) organisieren und trotz gesundheitlicher<br />
Probleme und materieller Einschränkungen den Lehr- und Forschungsbetrieb<br />
neu aufbauen und unterhalten. 1938 wurde das Institut für Geschichte der<br />
Medizin nach seinem Gründer benannt, gedacht als Ehrung Sudhoffs zu seinem<br />
85. Geburtstag, den er allerdings nicht mehr erlebte. Der Zusatz „und der<br />
Naturwissenschaften“ sollte in Sudhoffs (und auch in Sigerists) Sinn die enge<br />
Verknüpfung von Medizin- und Wissenschaftsgeschichte signalisieren. Während<br />
der verheerende Luftangriff vom 4. Dezember 1943 das Institutsgebäude<br />
fast unversehrt gelassen hatte, gingen die nach Schloss Mutzschen ausgelagerten<br />
wertvollsten Bestände, darunter das durch von Brunn vorbildlich geordnete Archiv<br />
der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, in den Nachkriegswirren<br />
verloren. Es gelang von Brunn jedoch unter großem persönlichem Einsatz bis<br />
zu seiner Emeritierung 1950 (also mit 74 Jahren!), das Institut erfolgreich durch<br />
die schwierige Zeit zu lotsen und seinen nationalen und internationalen Ruf zu<br />
festigen.<br />
Nachfolger wurde der Direktor des Medizinisch-Poliklinischen Instituts, Felix<br />
Boenheim (1890 – 1960), der die Leitung zunächst für fünf Jahre kommissarisch<br />
innehatte und dann von 1955 – 1957 das Direktorat übernahm. Auf seine<br />
Initiative geht die Etablierung regelmäßiger Kolloquien zu wissenschaftshistorischen<br />
und -theoretischen Themen zurück, die dem internen Gedankenaustausch<br />
dienen, aber auch das Institut für Kontakte nach außen öffnen sollten, außerdem<br />
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