Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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jetzt schon eine gewaltige Hypothek mit uns mit, die wir langsam abzahlen müssen. Neue<br />
Hypotheken sind unzulässig. Keinen Müll hinterlassen. Ich sehe keinen Kompromiss.<br />
Dabei sollte jedem klar sein, dass die Punkte 1 und 2 des Nachhaltigkeitspostulates prinzipiell<br />
unerfüllbar ist: <strong>Die</strong> beiden Sätze sind theoretische Grenzfälle, wo wir aller Erwartung nach<br />
nie mehr hinkommen werden (wobei auch das festzustellen jetzt eigentlich nicht unsere Aufgabe<br />
ist). Man macht sich nur verrückt, wenn man jetzt an der Frage verzweifelt, ob die eigenen<br />
Zahnfüllungen nach dem Tod auch anständig recycled werden. Im Moment stehen<br />
andere, größere Aufgaben an. <strong>Die</strong> meisten Konsequenzen unseres Handelns werden wir<br />
selbst nicht mehr erleben, deshalb können wir getrost auch ein bisschen runterschrauben.<br />
Wenn wir soweit sind, können wir uns um die Zahnfüllungen immer noch Gedanken machen.<br />
Aber: <strong>Die</strong>se beiden Postulate müssen jeder vernünftigen Politik <strong>als</strong> Prinzip zugrunde liegen.<br />
Sie müssen eine Handlungsrichtlinie bilden, von der auf lange Sicht nicht abgewichen wird<br />
und auf die das aktuelle Handeln gerichtet ist. Man wird dabei die eine oder andere taktische<br />
Volte machen müssen, aber das Ziel ist klar. Das Problem einer verwässerten <strong>Version</strong> des<br />
Nachhaltigkeitspostulates ist ihre Beliebigkeit (jeder kann sie nach seinem Gusto interpretieren)<br />
bzw. dass sie wiederum zum Austricksen reizt. Es reicht nicht aus, nur Möglichkeiten<br />
anzubieten, den Ressourcenverbrauch zu senken. Wer den Verbrauch nichterneuerbarer<br />
Ressourcen senken möchte, der muss den Verbrauch direkt ins Visier nehmen, über absolute<br />
Obergrenzen, die nach und nach auf Null heruntergefahren werden.<br />
Der permanente Widerstand der Wirtschaft gegen eine schärfere Umweltgesetzgebung ist<br />
ohne weiteres verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die hohe Produktivität praktisch<br />
ausschließlich auf der Verbrennung oder Verarbeitung von nichterneuerbaren Rohstoffen<br />
basiert. Somit sind die Botschaften der freien Marktwirtschaft und der Ressourcenschonung<br />
grundsätzlich unvereinbar. Eine prinzipielle Reduktion dieses Verbrauchs wird somit<br />
zwangsläufig eine Senkung der Produktivität zur Folge haben, und das Nachhaltigkeitspostulat<br />
ist daher der wichtigste einzelne Schritt in Richtung „Arbeit für alle”, LowTech und Regionalität.<br />
Binswanger stellt ein Dilemma bei den nichterneuerbaren Ressourcen fest: „Wozu sollen sie<br />
erhalten bleiben, wenn sie nicht genutzt werden?” (Binswanger 2009 S. 169) Er stellt daher<br />
für nichterneuerbare Rohstoffe ein anderes Nachhaltigkeitspostulat auf: „... die Nutzung der<br />
nichterneuerbaren Ressourcen dann <strong>als</strong> nachhaltig zu bezeichnen, wenn ihr Vorrat durch<br />
exponentielle Minderung des Verbrauchs nie vollständig verbraucht wird.” (Binswanger 2009<br />
S. 174, Hervorhebung im Original) Mit anderen Worten: Es würde reichen, wenn der<br />
Verbrauch langsam, aber schnell genug sinkt, so dass die Null-Linie nie erreicht wird.<br />
Ich mache mir diese Meinung nicht zueigen und formuliere das Nachhaltigkeitspostulat so<br />
streng wie dort oben. Keiner weiß, wie schnell „langsam, aber schnell genug” tatsächlich ist,<br />
weil man dazu die Menge der noch nicht geförderten Ressourcen kennen müsste. Außerdem<br />
ist das Fördern von Rohstoffen in der Regel kein Spaß für die Natur, sondern der Prozess <strong>als</strong><br />
solcher ist meistens ein schwerer Eingriff. <strong>Die</strong> Förderung von Ölsand oder Aufbereitung von<br />
Golderzen sind eine einzige Ökosauerei, um nur einige zu nennen. Wir sollten mit dem haushalten,<br />
was wir haben, das ist ja schon eine ganze Menge. Nicht Überfluss macht kreativ,<br />
sondern Beschränkung.<br />
6.2.7 Vertretung der Stimmlosen<br />
Binswanger schlägt für die treuhänderische Vertretung der „Anliegen der Zukünftigen” einen<br />
Ökologischen Rat vor, der <strong>als</strong> zusätzliche Institution in den demokratischen Entscheidungsprozess<br />
eingeführt wird. Er sei mit 24 anerkannten Sachverständigen für ökologische Fragen<br />
zu besetzen, wobei Binswanger auch konkrete Vorschläge für das Verfahren macht. (Binswanger<br />
2009 S. 209ff.)<br />
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