Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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Kapitel 6: Alternative<br />
6.1 Eine liberale Antwort<br />
Wie verankert man die neuen gesellschaftlichen Erfordernisse in einem liberalen Gesellschaftsmodell?<br />
6.1.1 Liberalismus und seine Grenzen<br />
Der Liberalismus ist eine alte philosophische und politische Bewegung. Im Zentrum steht der<br />
einzelne Mensch, das berühmte Individuum, mit seinen Interessen, Wünschen, Sehnsüchten,<br />
Abneigungen, Ängsten, ... Grundlage des Liberalismus ist die Idee der Selbstverwirklichung<br />
und Selbstentfaltung, dass <strong>als</strong>o der Einzelne selbst am besten weiß, was gut und was<br />
schlecht für ihn ist, und dass er niemanden – weder natürliche Personen noch staatliche Institutionen<br />
– benötigt, die ihm Vorschriften machen oder ihn gar in Unfreiheit halten. Der<br />
Liberalismus tritt für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft<br />
ein, und diese Ausgewogenheit besteht darin, dass im Zweifel der Einzelne Vorrang<br />
haben sollte. Seine Grenzen findet der Einzelne in der Freiheit der anderen, die er nicht einschränken<br />
darf, und es ist danach die einzige Aufgabe des Staates (der „juristischen Person<br />
Gemeinschaft”), diese wechselseitige Freiheit zu gewährleisten.<br />
Daraus lassen sich die wichtigsten Elemente einer liberalen Staats- und Wirtschaftsverfassung<br />
ableiten:<br />
• Politik<br />
Demokratie, Gewaltenteilung, Pluralismus, Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit,<br />
Schutz von Minderheiten<br />
• Ökonomie<br />
Privateigentum <strong>als</strong> Voraussetzung für Verantwortung, Freie Marktwirtschaft, wirtschaftlicher<br />
Wettbewerb <strong>als</strong> Voraussetzung für allgemeinen Wohlstand<br />
• Soziales<br />
Grundsätzliche Selbstverantwortung für das eigene Auskommen, Prinzip der Leistungsgerechtigkeit,<br />
keine Idee des sozialen Ausgleichs (außer Almosen)<br />
• Recht<br />
Gleichheit vor dem Gesetz<br />
Der Liberalismus ist eine Idee, von der grundsätzlich diejenigen am meisten profitieren, die<br />
mit diesen Anforderungen gut umgehen können, sprich: <strong>Die</strong>jenigen, die in jeder Hinsicht frei<br />
sind, zu tun und zu lassen, was sie wollen, sofern sich ihnen Gelegenheiten bieten. Das wirft<br />
unmittelbar zwei wesentliche Fragen auf:<br />
• Was passiert mit denjenigen, die aus persönlichen Gründen diese Freiheiten nicht<br />
nutzen können, weil sie beispielsweise in ihrer körperlichen, geistigen oder sozialen<br />
Entwicklung benachteiligt sind, <strong>als</strong>o schlechtere Chancen hatten und haben?<br />
<strong>Die</strong> Antwort war und ist die Idee der öffentlichen Fürsorge. Das soll hier aber nicht<br />
vertieft werden, weil dieser Punkt nichts für die Wachstumsdebatte beiträgt.<br />
• Was passiert mit denjenigen, die aus gesellschaftlich tolerierten Gründen diese Freiheiten<br />
nicht nutzen können, weil beispielsweise ihr Beruf wegrationalisiert wurde, ihre<br />
Existenzgrundlage der Globalisierung zum Opfer fiel, ihre Wohnung wegen einer<br />
Mieterhöhung nicht mehr zu halten ist?<br />
In einem rein liberalen System gibt es hierauf keine Antwort außer: „<strong>Die</strong> müssen sich<br />
halt anstrengen oder bescheiden werden!” Der Zustand dieser Menschen ist praktisch<br />
konstitutiv für die Idee der Wettbewerbsgesellschaft – ohne Verlierer keine Gewinner,<br />
und ohne Gewinner kein „Wohlstand für alle”, wie bescheiden er für die Verlierer<br />
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