Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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Pünktlichkeit, Reinlichkeit, Sorgfalt, Ordnung etc. – einen Sozialcharakter prägten, der innerhalb<br />
der Synchronisierungserfordernisse hoch arbeitsteiliger Gesellschaft funktionsfähig ist.<br />
Ein nicht gering zu veranschlagender Effekt der Verschulung der frühindustrialisierten Länder<br />
ist auch die Einübung von Konkurrenz und Wettbewerb sowie die Messung der individuellen<br />
Leistungen über Notensysteme. <strong>Die</strong>ser Prozess der Verschulung hält noch heute an: Nicht<br />
nur, dass die Einschulungsquoten und Alphabetisierungsraten <strong>als</strong> zentrale Kennzeichen von<br />
«Entwicklung» gelten (Osterhammel 2009, S. 1131), auch die Durchstrukturierung aller Aspekte<br />
von Lernen und Bildung durch messbare Leistungskriterien hält – seit «Bologna» und<br />
«G 8» mehr denn je – unvermindert an.” (Welzer 2011)<br />
Was könnte Bildung sein?<br />
Das Ziel ist eine Bildungs-Gesellschaft, die die persönliche Entwicklung und größtmögliche<br />
Unabhängigkeit des Einzelnen zum Ziel hat. Ein Mensch, der unabhängig zufrieden leben<br />
kann, kann in der Gemeinschaft den größten Beitrag leisten. <strong>Die</strong> isolierte Ausbildung auf ein<br />
Arbeitsleben hin, wie sie heute stattfindet, wird der Komplexität des Gehirns nicht gerecht.<br />
Insbesondere fehlen die Bindung des Menschen an die Natur, handwerkliche Fähigkeiten,<br />
eine ästhetische und eine soziale Bildung. Wenn Zufriedenheit sich im Kopf abspielt, dann<br />
müssen wir diesem doch die sorgfältigste Pflege angedeihen lassen. Das Kosten-Nutzen-<br />
Verhältnis von Ausbildung sollte völlig neu gedacht werden. Je umfassender jemand ausgebildet<br />
ist, desto weniger wahrscheinlich ist seine Arbeitslosigkeit.<br />
Das ganze derzeitige Theater um Schulsysteme dreht sich doch vorwiegend um die Angst,<br />
das eigene Kind könnte unzureichend gefördert werden. Unzureichend bedeutet für die einen:<br />
für den globalen Wettbewerb, für die anderen: für ein zufriedenes Leben. Kein Wunder,<br />
dass man nicht zum Konsens kommt. Wettbewerb bereitet den Boden für Eitelkeit und die<br />
Akzeptanz von Macht, Kooperation bereitet den Boden für die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit<br />
der Menschen.<br />
Es ist nun mal so, dass wir sterblich sind und jedem neugeborenen Menschen wieder und<br />
wieder unsere Grundsätze und einen Teil unser Erfahrungen mitgeben wollen und müssen.<br />
Letztlich lernt der Mensch ausschließlich durch Erfahrung und nicht durch „Lernen”. Es ist ein<br />
weitverbreiteter Irrtum, dass man einfach etwas lernen könne. Ein Lernprozess führt nur<br />
dann zum Erfolg, wenn der Lernstoff innerlich oder äußerlich erfahren wird, <strong>als</strong>o geistig oder<br />
manuell nachvollzogen wird (wobei Hand und Hirn eine äußerst enge Verbindung besitzen).<br />
Eine Handwerksmeisterin kann ihrem Lehrling noch so oft erklären, wie bestimmte Schritte<br />
gemacht werden müssen: Solange diese Schritte nicht wieder und wieder selbst ausgeführt<br />
wurden und das eigene Gehirn dieses Wissen in seine Struktur eingebaut hat, solange sind<br />
die Erklärungen wirkungslos. Sie können nur dazu beitragen, nicht alle Fehlversuche dieses<br />
Handwerks der letzten Jahrtausende erneut probieren zu müssen. Aber unser Gehirn muss<br />
alles, was es wissen soll, in einem Lernprozess selbst generieren, eine echte Abkürzung ist<br />
nicht möglich.<br />
Praktische Fähigkeiten: Der moderne Mensch ist in wesentlichen Bereichen der täglichen<br />
Technik so ungebildet. Wie funktioniert ein Boiler, ein Klosett, was ist das Prinzip von Dichtungen<br />
und Sicherungen, wie pflegt und repariert man ein Fahrrad?<br />
Raus in die Welt: <strong>Die</strong> Idee der Schule, dass die Kinder an einem Ort konzentriert werden, ist<br />
besonders in der Pubertät sehr hinderlich. <strong>Die</strong> wollen und sollen was erleben.<br />
Den privaten Elterneinfluss reduzieren, Eltern an der Schule miterziehen lassen und miterziehen.<br />
Erziehung ist nicht allein Familienaufgabe. Dort geht zu viel schief. Und es betrifft nicht<br />
nur die Kinder. Wir sollten weg vom sozialtherapeutischen Reparaturbetrieb. Kinder sollen<br />
nicht sozial isoliert aufwachsen. <strong>Die</strong> Gemeinschaft soll die Entwicklung eines jeden Kindes<br />
mitverfolgen können. <strong>Die</strong> Idee vom „absoluten Eigentum” der Eltern am Kind hinterfragen.<br />
Eltern sind nicht automatisch auch die besten Erzieher für ihr Kind.<br />
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