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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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müssen wir. Und zwar zuerst über die Prinzipien. Und dann schauen wir, welchen Ordnungsrahmen<br />

wir darüber hinaus benötigen. Und ich behaupte: Wenn die Prinzipien gut sind, dann<br />

wird der Ordnungsrahmen klein. Weil Vernunft zur Regel wird.<br />

5.1.3 Dilemma der Parteien<br />

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18.09.2011 hatten Bündnis 90/<strong>Die</strong> Grünen<br />

deutlich weniger Stimmen erhalten <strong>als</strong> erhofft. Ein erheblicher Teil wanderte zu den „Piraten”.<br />

Was ist dort passiert? Einig sind sich die meisten, dass die Piraten keinen inhaltlichen<br />

Erfolg errungen haben, sondern (noch) <strong>als</strong> Protestpartei zu sehen sind, die mit ihren Forderungen<br />

nach „mehr Demokratie” und ähnlichem den Flair des Frischen, Unverbrauchten, Ehrlichen<br />

haben. Frisch, unverbraucht und ehrlich sind Eigenschaften, keine Verdienste. Wie<br />

konnte es passieren, dass Bündnis 90/<strong>Die</strong> Grünen diese Eigenschaften nicht mehr zugeschrieben<br />

werden, wo sie doch einst genauso angefangen hatten?<br />

Sehr auffällig fand ich bei Bündnis 90/<strong>Die</strong> Grünen einen bestimmten schriftlichen Entwurf für<br />

den Green New Deal. Das war eine einzige Jubelarie auf sie selbst, die ach so vernünftig<br />

seien, und auf die Wirtschaft, die sich ach so tatkräftig nach Impulsen aus der Politik sehne,<br />

um endlich mit grünem Wachstum mehr Vernunft entwickeln zu dürfen. Und eine endlose<br />

Kette von Seitenhieben auf die anderen Parteien. Ein Entwurf voller Eitelkeit. Ich war auch<br />

einmal bei der FDP, bei der Tagung des Berliner „Arbeitskreises Grundsatz- und Perspektivfragen”.<br />

Das fand ich richtig gruselig. Wenn Eitelkeit eine Partei <strong>als</strong> Heimat hat, dann diese.<br />

Meines Erachtens sieht eine allgemeine Typologisierung der Parteien derzeit so aus:<br />

• <strong>Die</strong> FDP und die Grünen sind die Parteien der Eitelkeit.<br />

• <strong>Die</strong> Linken sind die Partei der Ängstlichen.<br />

• <strong>Die</strong> Piraten sind die Partei der Coolen.<br />

• SPD und CDU sind die Parteien des großen Rests.<br />

Bei der FDP kommt die Eitelkeit aus ihrem inneren Selbstverständnis <strong>als</strong> Partei der Leistungsträger,<br />

das kennt man seit langem und wundert sich nicht. <strong>Die</strong> Grünen (und ich nehme<br />

Bündnis 90 da mal aus – außerhalb des Parteiapparates gab es in der DDR wenig Gelegenheiten,<br />

Eitelkeit zu kultivieren) sind die Partei der Besserwisser geworden. Sie haben eine<br />

bemerkenswerte Entwicklung von belachten Spinnern zu einer respektablen, staatstragenden<br />

Partei durchgemacht, die jetzt sogar einen Ministerpräsidenten stellt. Sie haben das Thema<br />

Ökologie in der Politik fest verankert und den Ausstieg aus der Kernenergie erfochten. In<br />

ihrem Selbstverständnis haben sie der Politik die Vernunft gebracht. Das speist ein Sendungsbewusstsein.<br />

Wer grün wählen will, aber keine Eitelkeit mag, hat einen Konflikt.<br />

Natürlich haben alle Parteien ihre Eitlen. Das ist in einer hierarchischen Parteistruktur, einer<br />

Mediendemokratie und unter den Bedingungen der Marktwirtschaft überhaupt nicht vermeidbar.<br />

Dennoch finde ich das Sendungsbewusstsein einiger Grüner bemerkenswert.<br />

Alle Parteien machen zudem den Fehler, dass sie ihre Wähler immer mehr auf die Stimme<br />

reduzieren, die sie von ihnen erhalten können. Daher wird in einer Art vorauseilendem Gehorsam<br />

das eigene Programm auf die vermeintliche Erwartung und „Zumutungsfähigkeit” der<br />

Wähler abgestimmt: „Das kann man dem Wähler nicht zumuten!” ist ein gängiges Argument<br />

für die Verweichlichung von Standpunkten. Darin ähneln die Parteien dem Unternehmer, der<br />

über Marktforschung versucht herauszubekommen, was die Kunden wünschen. Das Ergebnis<br />

ist eine Angleichung der gegenseitigen Erwartungen und Nivellierung des Profils: <strong>Die</strong> Partei<br />

erwartet eine Stimme („die da unten wählen ja doch nur, was ihnen Vorteile bringt”), und<br />

der Wähler sieht sich nur noch <strong>als</strong> Stimmgeber („die da oben machen ja doch nur, was ihnen<br />

Vorteile bringt”). Eitelkeit verhindert gute Politik, falls diese gute Politik unpopulär ist, denn<br />

dafür erhält man alles mögliche, aber keine Bestätigung. Deswegen ist populäre Politik so<br />

verbreitet.<br />

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