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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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6.5.4 Ein Lob des Handwerks<br />

Lieber weniger und teurer, dafür besser: Handwerk gehört zum Weltkulturerbe. Wir verlieren<br />

es, wenn es nur noch unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet wird, nicht mehr unter kulturellen.<br />

Ganz früher war das Wissen breit, nicht tief. Im Zuge der fortschreitenden Arbeitsteilung<br />

wurde das Wissen tiefer, blieb aber in der Breite der Bevölkerung verankert. Heute<br />

verflacht das Wissen wieder, und nur noch wenige Spezialisten horten es in Firmen. Das<br />

handwerkliche Wissen geht verloren. <strong>Die</strong> Kreativität im Beruf wird von der Breite weg auf<br />

Maschinen verlagert und auf diejenigen, die diese Maschinen erstellen und programmieren,<br />

sowie auf die Berufe der „Symbolanalytiker”. Für die „einfachen” Berufe bleiben nur noch<br />

mechanische Wiederholungen.<br />

Im traditionellen Handwerk lohnt es sich nicht, billige Materialien zu verarbeiten, weil der<br />

Materialanteil des Endproduktes geringer und der Lohnanteil höher ist. Es kostet nicht viel<br />

mehr, anständiges Material zu verwenden und sich und anderen damit Freude zu bereiten.<br />

Handwerk ist regionaler Umsatz. Sie bereichern im wahrsten Sinne die Region, wenn Sie<br />

regionale Handwerker beauftragen.<br />

Peter hat sich vor einiger Zeit einen neuen Dachstuhl auf sein Haus setzen lassen, anstelle<br />

des maroden alten. Meine Frau und ich waren erschüttert, <strong>als</strong> wir es gesehen haben. Und<br />

Peter hat uns erzählt, wie es abgelaufen ist:<br />

• Der Zimmermann kam mit einem Notebook, und Peter konnte zwischen verschiedenen<br />

Gaubenvarianten wählen.<br />

• Ein Aufmaß wurde gemacht.<br />

• Der Zimmermann verschwand und kam nach einigen Wochen mit einem großen<br />

Lastwagen wieder. Auf diesem lagen alle notwendigen Hölzer, computergesteuert fertig<br />

zugeschnitten.<br />

• In kürzester Zeit wurde der neue Dachstuhl aufgebaut. Aber wie: Statt traditioneller<br />

Holzverbindungen nur noch mit Blechen gelascht. Überall Spaxschrauben hineingebohrt.<br />

Gehrungen etwas schief und überstehend. Vieles nicht so richtig proportioniert.<br />

<strong>Die</strong> Handwerker haben sicherlich in ihrem Sinne gute Arbeit gemacht. Der Dachstuhl ist<br />

preiswert, stabil und erfüllt seinen Zweck. Er ist zweckmäßig. Es ist ein Tiefkühlpizza-<br />

Dachstuhl.<br />

Wie zufrieden können die einzelnen Beteiligten mit dieser Arbeit wirklich sein?<br />

• <strong>Die</strong> Arbeiter im Sägewerk, die weder Peter noch das Haus jem<strong>als</strong> gesehen haben,<br />

sondern höchst effizient Balken für Balken sägen. Tagein, tagaus. Immer nur sägen.<br />

Nie sehen, wofür und für wen. Monotone Arbeit.<br />

• <strong>Die</strong> Zimmerleute, die ihn aufgebaut haben. Den Zeitdruck im Nacken, denn Zeit ist<br />

Geld. <strong>Die</strong> den Charakter des schönen Materi<strong>als</strong> nicht achten können, sondern die<br />

Spax-Schraube quer hindurch jagen. Für Überstände und saubere Abschlüsse ist kein<br />

Budget vorhanden.<br />

• Alle, die die Arbeit jetzt anschauen müssen. Nichts wirklich Schlimmes. Bisschen billig<br />

halt. Wirklich nichts Schlimmes? Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, aber ich spüre<br />

hier geradezu körperlich einen herben Verlust. Für mich ist es etwas Schlimmes. Ästhetik<br />

ist wichtig!<br />

Produktivitätssteigerung durch Arbeitsteilung ist dort gerechtfertigt, wo neue Kulturbereiche<br />

erschlossen werden, wo die Beschäftigung mit der Natur oder mit dem Menschen tiefere und<br />

bessere Erkenntnisse ermöglicht. Sie ist dort nicht gerechtfertigt, wo das Wissen des Einzelnen<br />

zu stark beschnitten wird und der Blick für Anfang und Ende oder die beteiligten Menschen<br />

verloren geht. Der Einzelne darf nie Objekt werden, er muss immer Subjekt bleiben.<br />

Und: Schöne Dinge haben eine Seele, zumindest für uns Menschen. Das Leben wird durch<br />

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