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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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ken. Gleichzeitig wird die Gesellschaft insgesamt im Schnitt gesünder sein, das ist ein unvermeidlicher,<br />

scheinbar paradoxer Nebeneffekt, weil die Schwerkranken seltener werden,<br />

wenn sie früher und schneller sterben.<br />

Das Thema ist zu groß, um es hier ausführlich zu behandeln. Ansprechen sollten wir es, es<br />

wird ein wesentliches Hindernis im Diskussionsprozess um eine neue Gesellschaftsordnung<br />

werden. Vielleicht sogar das Hindernis. Erneut verweise ich für die Literatur auf Krämer<br />

1989. Er hat, wenn auch vielleicht mit ein wenig zu viel Verve (Eitelkeit?), das Thema ausgiebig<br />

behandelt.<br />

6.4.1 Gesundheit und Kosten<br />

Man kann Gesundheit <strong>als</strong> idealisiertes Ziel definieren, wie die Weltgesundheitsorganisation<br />

das macht, <strong>als</strong> imaginäre 100 %-Linie, die es zu erreichen gilt, die aber natürlich nie erreicht<br />

werden kann: „Ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens.”<br />

Damit sind wir alle krank, wie schon Walter Krämer richtig bemerkte. Jeder kleine<br />

Splitter im Fuß und jedes düstere Grübeln macht uns zum Patienten. Für die praktische Gesundheitsversorgung<br />

ist dieser Grundsatz fatal, denn er löst eine Welle der Anspruchsberechtigung<br />

aus. <strong>Die</strong> Unfinanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems beruht auch auf dieser unrealistischen,<br />

maßlosen Vorstellung.<br />

Maßlosigkeit ist genau unser Thema, und deshalb sollten wir versuchen, andere Definitionen<br />

von Gesundheit zu finden. Verschiedene Denker und Autoren greifen auf eher praktische<br />

Konsequenzen zurück und definieren Gesundheit grob gesagt <strong>als</strong> Fähigkeit, selbstbestimmt<br />

zu handeln. Aber was ist selbstbestimmt? Walter Krämer diskutiert das Thema in aller Breite,<br />

um letztlich zu dem Schluss zu kommen: Es ist nicht definierbar. Er sieht das Wort „krank”<br />

vor allem <strong>als</strong> „Waffe im sozialpolitischen Verteilungskampf” und schlägt vor, es für die Zwecke<br />

der Sozialpolitik durch einen „politischen Begriff” zu ersetzen, nämlich „anspruchsberechtigt”<br />

(Krämer 1989 S. 190). Ansprüche könne man gewähren oder verweigern und habe damit<br />

die moralische Dimension stark zurückgedrängt. Dem kann ich mich nur anschließen. Es<br />

gibt noch viele andere Begriffe, die mehr vernebeln <strong>als</strong> erhellen.<br />

Ich habe eine schwere Krankheit über einen längeren Zeitraum weder selbst erlebt noch in<br />

meinem persönlichen Umfeld begleitet, fühle mich <strong>als</strong>o nicht berufen, in epischer Breite über<br />

dieses Thema zu schreiben. Das einzige, was ich dazu sagen kann, ist: Wir werden es nicht<br />

los. Was wir auch anstellen werden, wir werden Krankheit und Tod nicht besiegen, und es<br />

kann auch nicht in unserem Interesse liegen, dies zu tun. Der Tod ist nichts Schlimmes. Wer<br />

Maßlosigkeit sät, wird Enttäuschung ernten. Auch heute stecken wir nicht all unser Geld ins<br />

Gesundheitssystem, sondern nur einen Teil, der sich aber beispielsweise in den Niederlanden<br />

auf immerhin bis zu 280.000 EUR pro Menschenleben summiert (Gesamtkostenerwartung für<br />

einen im Jahre 2003 20-jährigen, schlanken Nichtraucher, Preise von 2003, plosmedicine.org<br />

2008). Prävention hiflt übrigens nur für die Zufriedenheit, nicht bei der Kostensenkung: Gesund<br />

lebende Menschen verursachen die höchsten Gesamtkosten, weil sie am ältesten werden<br />

und im Alter die höchsten Krankheitskosten anfallen. <strong>Die</strong> gesamtwirtschaftliche Rechnung<br />

mag noch mal anders aussehen, aber von Prävention sollte sich bitte keiner zuviel erhoffen.<br />

280.000 EUR. Das ist nicht schlecht, oder? In diesem Betrag ist alles drin: Krankenkassenbeiträge,<br />

Steuergelder für Krankenhäuser und Rettungsdienste usw. <strong>Die</strong> meisten Menschen zahlen<br />

ein Sechstel ihres Gehaltes an Krankenkassenbeitrag. Ein Sechstel! Haben Sie wirklich<br />

das Gefühl, dafür eine angemessene Gegenleistung, gemessen in Lebenszufriedenheit, zu<br />

erhalten?<br />

Angenommen, Sie könnten sich entscheiden, fünf Jahre früher zu sterben und sich dafür –<br />

sagen wir – ein Drittel dieses Beitrages auszahlen zu lassen. Sie hätten die Möglichkeit, ein<br />

viel besseres Leben zu führen. Das Dumme ist nur: <strong>Die</strong> Zukunft ist ungewiss. Wir nehmen<br />

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