Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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sind dazugekommen. In der Schweiz wird ein Viertel aller Gesundheitskosten für die jeweils<br />
letzten zwölf Monate der Menschen aufgewendet (Gasche/Guggenbühl 2010 S. 73). Das Dilemma<br />
ist: Man weiß nicht, wann sie beginnen.<br />
Durch die Versicherungsbeiträge muss immer mehr Technik finanziert werden. Wenn dabei<br />
die Beiträge nicht mehr weiter steigen sollen, muss dafür beim Personal gespart werden –<br />
weniger Leute, weniger Zeit, mehr Zeitarbeit und Flexibilisierung. Letztlich sind auch alle<br />
sogenannten „Pflegekräfte” ein Teil der allgemeinen Produktivitätssteigerung. Sie haben sich<br />
auf die Pflege von Menschen spezialisiert und ermöglichen damit allen anderen, sich auf die<br />
„wichtigen Dinge” wie Autos, iPhones und Fertigpizza zu konzentrieren. Und damit auch die<br />
unangenehmen Bilder von Alter, Krankheit und Tod aus ihrem Leben zu drängen.<br />
Wie man es auch dreht und wendet: Wer den Menschen die Garantie gibt, dass alle notwendigen<br />
medizinischen Leistungen finanziert werden, erzeugt ein Kostenfass ohne Boden. Und<br />
eine Wachstumsbranche ohne Maß. Aus diesem Dilemma gibt es prinzipiell keinen Ausweg,<br />
genausowenig wie aus dem Wachstumsdilemma. Es ist nie genug.<br />
3.3 Ungleichheit<br />
Neben all den anderen Krisen erleben wir zum Glück auch eine „Krise der Ungleichheit”.<br />
Ungleichheit wird in vielen Bereichen mehr und mehr in Frage gestellt und zum Teil schon<br />
seit einigen Jahren erfolgreich überwunden:<br />
• Kate Pickett und Richard Wilkinson weisen in einer bahnbrechenden Studie (Pickett/Wilkinson<br />
2009) aktuell und global nach, dass in Gesellschaften mit größerer<br />
materieller Gleichheit fast alles für alle besser ist, auch für die Wohlhabenden.<br />
• Im Straßenverkehr wurde erkannt, dass die Trennung der Verkehrsarten („autogerechte<br />
Stadt”) die Konflikte nicht entschärft, sondern verschärft. <strong>Die</strong> Zahl der schweren<br />
Verkehrsunfälle kann gesenkt werden, indem Straßenräume geschaffen werden,<br />
die auf Abgrenzungen zwischen den Verkehrsarten verzichten und die völlige<br />
Gleichberechtigung von Verkehrsteilnehmern vorsehen, wobei die Vorfahrtregel<br />
„Rechts vor links” weiter gilt („Shared Space” oder „Gemeinschaftsstraße”).<br />
• <strong>Die</strong> getrennte Unterrichtung von Kindern mit körperlichen oder geistigen Behinderungen<br />
in Sonderschulen wird mehr und mehr aufgehoben zugunsten eines gemeinsamen<br />
Unterrichts mit nichtbehinderten Kindern (Integrationsklassen).<br />
• Der Verelendung anderer Länder durch billigen Import von Produkten und Drogen,<br />
Export von Naturzerstörung, Korruption und Waffen wird in kleinem Rahmen durch<br />
Fairen Handel entgegengearbeitet.<br />
• <strong>Die</strong> soziale Akzeptanz für Lesben, Schwule und Transgender im Alltag ist – bei allen<br />
Rückschlägen – steigend.<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklungen reihen sich ein in historische Erfolge der Überwindung von Ungleichheit<br />
und Ungerechtigkeit:<br />
• Abschaffung der Sklaverei<br />
• Abschaffung von Adelsprivilegien<br />
• Gleichberechtigung für Frauen<br />
Hier werden wegen der Bedeutung für die aktuelle Diskussion die Fakten der Studie von Kate<br />
Pickett und Richard Wilkinson zusammengefasst. Beide forschen zu Epidemiologie und Gesundheitswesen<br />
an zwei britischen Universitäten. Epidemiologie ist die Analyse der Ursachen<br />
von Gesundheit und Krankheit in bestimmten Bevölkerungsgruppen (Populationen). Ausgangspunkt<br />
ihrer Untersuchungen war die Frage nach „Ungleichverteilungen im Gesundheitsbereich”:<br />
Wie folgen bestimmte gesundheitliche Probleme und die Lebenserwartung der<br />
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsschicht? Daraus entstand schließlich ein<br />
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