Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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den Arm fällt. Glücklicherweise wird ihnen das Arbeiten in einer einfacheren Welt schon rein<br />
technisch sehr schwerfallen, und meine Hoffnung ist, dass sie mit der Zunahme von Demut,<br />
Selbstvertrauen und Vernunft einfach das Interesse daran verlieren. Denn „In-den-Armfallen”<br />
ist eine heikle Sache in einer freiheitlichen Gesellschaft.<br />
Ein materialistischer Ansatz ist mir der einfachste. Er befreit mir mein Leben von dem im Hier<br />
und Jetzt sinnlosen Gedanken an das Danach. Man könnte kritisieren, dass er mich auch von<br />
meiner Verantwortung im Hier und Jetzt befreit. Was hindert mich am Schlemmen und Rülpsen,<br />
und nach mir die Sintflut? <strong>Die</strong>se Verantwortung sollte ich aber aus anderen Gründen<br />
spüren <strong>als</strong> aufgrund des Glaubens an ein jüngstes Gericht oder ein Höllenfeuer. Im Hier und<br />
Jetzt macht verantwortungsvolles Handeln zufriedener, denn es erzeugt Sinn und Gemeinschaftsgefühl.<br />
Ich sehe Sinn nicht <strong>als</strong> Objekt oder Ziel, sondern <strong>als</strong> einen Kreislauf: Er wird<br />
durch Handeln erzeugt und erzeugt seinerseits sinnvolles Handeln. Er ist ein psychischer Zustand<br />
des Wohlbefindens, hervorgerufen durch biochemische Reaktionen.<br />
Das ist keine Banalisierung des Menschen und auch nicht seine Erhöhung. Ist denn die Vorstellung<br />
von einem höheren Gott frei von Maßlosigkeit? <strong>Die</strong> Idee von der Unsterblichkeit der<br />
Seele frei von Eitelkeit? Wir finden viele Bilder für das, was wir Demut nennen. Materialismus<br />
ist für mich Respekt vor dem unglaublichsten aller Organe: Dem Gehirn, eingebettet in und<br />
verbunden mit einem Körper, der eingebettet ist in und verbunden mit der Welt. Es ist für<br />
mich ein Bild für Demut.<br />
6.3.2 Selbstvertrauen<br />
Ich bin sehr dankbar, dass ich einerseits eine unbeschwerte Kindheit genießen konnte, in<br />
einem Umfeld der Zuwendung und Freiheit (siehe Widmung), und dass ich andererseits das<br />
Glück hatte, in meinem Leben Menschen zu begegnen, die mir neue geistige und körperliche<br />
Welten aufgezeigt haben, und ich frei genug war, diese Anregungen aufzunehmen.<br />
Als Jugendlicher war ich ein ziemlicher Eigenbrötler, beschäftigt mit Büchern, die mir vor<br />
allem mein Vater in großer Zahl und Qualität verschaffte (den trivialeren Rest holte ich mir in<br />
der Bücherei), und beschäftigt mit Basteln und Handwerk, wo mir meine Mutter große Freiheiten<br />
gab, ihren Werkzeug- und Rohstoffbestand zu plündern. Ich fühlte mich auf dem<br />
Gymnasium in meiner Klasse nicht sehr wohl, weil ich dort Außenseiter war, und fand daher<br />
meine Welt eher im Inneren <strong>als</strong> im Äußeren. Glücklicherweise trieben mich meine Eltern zum<br />
Sport, unglücklicherweise auch zur Gitarre, was keine Leidenschaft wurde.<br />
Erst mit dem Übergang auf die Universität blühte ich sozusagen auch im Außen auf. Im Physikstudium<br />
fand ich ein Gegenüber in vielen geistreichen und fantasievollen Menschen. Ich<br />
arbeitete <strong>als</strong> Tutor mit jüngeren Studenten und in den Gremien der Hochschulpolitik mit.<br />
Mein Freund Wolfgang inspirierte mich zum Psychodrama, wo ich über zwölf Jahre lang an<br />
einer Selbsterfahrungsgruppe bei Elisabeth Kaiser teilnahm, der Pilch überredete mich zu<br />
Aikido, und Anna führte mich in die Welt der Körperarbeit und Bewegungskunst sowie zum<br />
Tanzen und zum Taketina. Ich fand zum Fahrtensegeln. Heute mache ich fast alle diese Dinge<br />
nicht mehr, aber dafür einiges andere. Es waren Teilnahmen an den Welten anderer und<br />
Reisen in die eigene Seele und Körperlichkeit. Erfahrung von Möglichkeiten und Grenzen. Ich<br />
bin auch vielen weniger Glücklichen begegnet, die eine persönliche Hypothek mit sich tragen<br />
und langsam abzahlen.<br />
Nach dem Physikstudium eierte ich eine Weile herum. Mich hatte zwar das Studium sehr<br />
interessiert, aber die Betriebsamkeit und „selbstgefällige Mittelmäßigkeit” des Forschungsbetriebes<br />
schreckten mich ab. Ich unterrichtete an Krankenpflegeschulen, übersetzte ein Physiklehrbuch<br />
und ließ mich dann doch zu einer Promotionsstelle breitschlagen. Es war dam<strong>als</strong><br />
für Physiker nicht einfach auf dem Arbeitsmarkt, schon gar nicht für solche, die nicht wussten,<br />
was sie wollen. Das Unterfangen brach ich nach einigen Monaten der Unzufriedenheit<br />
und mit schweren Akneschüben wieder ab und wandte mich nach einer Weile dann der Wirt-<br />
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