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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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wie sie sich unter anderem in den Sätzen der Resignation widerspiegeln. Aber die Ausrichtung<br />

am Wünschenswerten bedeutet eine intellektuelle Kapitulation vor den Problemen. Es<br />

muss vielmehr um eine Ausrichtung am langfristig Machbaren gehen.<br />

Mit der Änderung der Umwelt und der Gesellschaft ändern sich auch die Konzepte. <strong>Die</strong> alten<br />

Römer, die mittelalterlichen Mönche, sogar noch unsere Großeltern konnten sich vieles von<br />

dem nicht vorstellen, was wir heute selbstverständlich finden, und genauso werden unsere<br />

Konzepte späteren Generationen teilweise lächerlich vorkommen. „Vielleicht werden sich<br />

kommende Generationen mit Verwunderung an eine relativ kurze Phase in der Geschichte<br />

der Menschheit erinnern, in der ständiges Wirtschaftswachstum für möglich und nötig gehalten<br />

wurde.” (Bundespräsident a. D. Horst Köhler im Geleitwort zu Seidl/Zahrnt 2010)<br />

<strong>Die</strong> Welt ist sehr voll und sehr schnell geworden. Das Geld ist sehr viel geworden. Das<br />

drängt andauernd Probleme, die sich aus dieser Verdichtung ergeben, in den Vordergrund.<br />

Unter diesen Umständen kann man nicht klar denken, man ist dauernd mit existentiellen<br />

Fragen und Krisenmanagement beschäftigt, national und international. Es ist wie in der<br />

Gruppendynamik: Wir haben eine Störung des Prozesses, und diese Störung überlagert alles<br />

andere, sie zieht die Energie ab. Solange wir die Störung nicht beseitigen, ist kein konstruktiver<br />

und rationaler Dialog möglich. <strong>Die</strong>se Störung hat die Überschrift „Menschenbild”, und die<br />

Frage lautet: Wo wollen wir <strong>als</strong> Menschen hin? Und nicht: Wie wollen wir hin? Wohin denn?<br />

Wer nicht weiß, wohin er will, dem helfen keine Methoden. Wir haben kein Erkenntnisproblem,<br />

wir haben auch kein Handlungsproblem, sondern wir haben ein Selbstverständnisproblem.<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Diskussion ist zu methodenlastig. Wir diskutieren über die Folgerungen aus<br />

Prinzipien, die wir noch gar nicht definiert haben.<br />

Wie sehen neue Wohnformen aus? Wie sehen neue Mobilitätskonzepte aus? Wie sieht eine<br />

neue Industriegesellschaft aus? Müssen wir die Arbeitszeit allgemein reduzieren? <strong>Die</strong>se Fragen<br />

haben weder Staat noch Einzelne für alle zu beantworten! Wir dürfen keinerlei gesellschaftliche<br />

Diskussion darüber führen, wie das praktische Leben neu organisiert werden soll.<br />

Aspekte der Organisation des praktischen Lebens sind einzig und allein von den Beteiligten<br />

zu entscheiden, die dafür einen Ordnungsrahmen benötigen. <strong>Die</strong>ser Ordnungsrahmen für die<br />

wirtschaftliche und gesellschaftliche Logik kann nur durch ein möglichst weit oben angesiedeltes<br />

Prinzip definiert werden, auf welches sich die Gemeinschaft in einem demokratischen<br />

Prozess einigen muss. Im Grundgesetz steht nichts von Wohnformen, Mobilität, Industrie<br />

und Arbeitszeit. Im Grundgesetz stehen Prinzipien wie „<strong>Die</strong> Würde des Menschen ist unantastbar”,<br />

„freie Entfaltung seiner Persönlichkeit”, „Eigentum verpflichtet”. <strong>Die</strong> konkrete Auslegung<br />

steht dort nicht, und das ist auch richtig so. Bereits die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht<br />

immer öfter die Politik korrigieren muss, unterstreicht die schweren Meinungsverschiedenheiten<br />

in Deutschland – und die Tatsache, dass unser Grundgesetz der<br />

Lebenswirklichkeit nicht mehr gerecht wird. Wir müssen dort offensichtlich etwas anderes<br />

hineinschreiben.<br />

Ein weiterer Grund, warum das Modell der zentralen Steuerung (oder Gängelung) diese Debatte<br />

so beherrscht, ist meines Erachtens: Das „gesellschaftliche Gedächtnis” reicht nur 50<br />

bis 60 Jahre zurück. Es beschränkt sich – Geschichtsschreibung hin oder her – im wesentlichen<br />

auf das, was man selbst erlebt hat. Und was haben wir in dieser Zeit erlebt? <strong>Die</strong> soziale<br />

Marktwirtschaft ist genau das: Ein Kapitalismus mit von oben verordneten, ausgleichenden<br />

Zügen. Mit dieser Definition von „guter” und „schlechter” Wirtschaft haben wir ja eine ganze<br />

Weile subjektiv ganz gut gelebt.<br />

Zulässig und notwendig ist eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wo ein Weg möglicherweise<br />

hinführen könnte. <strong>Die</strong> Entwicklung von schönen oder auch schaurigen Bildern ist<br />

wichtig für den demokratischen Prozess, der zu den Prinzipien des Grundgesetzes führt. Ich<br />

glaube, dass jeder Mensch ein inneres Bild vom Sinn des Lebens hat, und wenn es darin besteht,<br />

dass im Leben kein Sinn zu sehen ist, ist das auch gut. Auch eine völlig indifferente<br />

Haltung hierzu ist zulässig. Nur so können wir das Individuum respektieren. Aber diskutieren<br />

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