Die ausführliche Version als pdf - Futur III
Die ausführliche Version als pdf - Futur III
Die ausführliche Version als pdf - Futur III
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
enden. Braungarts Königsbegriff ist „Ökoeffektivität”, er grenzt ihn scharf von „Ökoeffizienz”<br />
ab. Letzterer bezeichnet die heute allgemein übliche Tendenz, mit viel Mühe technische Prozesse<br />
so zu gestalten, dass die Natur möglichst wenig geschädigt wird – für Braungart ein<br />
verfehlter Ansatz, weil er auf einem „schlechten Gewissen” beruht. Auch ein solches Produkt<br />
kann man immer noch nicht guten Gewissens genießen, denn die Umweltschädigung ist ja<br />
immer noch da, wenn auch geringer. Ökoeffektivität hingegen bedeutet für ihn, dass das<br />
Produkt nicht nur umweltneutral, sondern nützlich ist: Je mehr davon verbraucht wird, desto<br />
besser für die Natur. Braungart dreht <strong>als</strong>o den Spieß völlig um, sein Standard-Beispiel ist die<br />
Ameise: „Menschen sind die einzigen Lebewesen, die Müll machen. Wenn wir so intelligent<br />
wären wie die Ameisen, dann hätten wir kein Überbevölkerungsproblem. <strong>Die</strong> Biomasse der<br />
Ameisen ist etwa vier Mal größer <strong>als</strong> die der Menschen. Der Kalorienverbrauch aller Ameisen<br />
entspricht dem von etwa dreißig Milliarden Menschen.” (Interview in der FAZ vom<br />
20.01.2009)<br />
<strong>Die</strong> Loslösung vom schlechten Gewissen ist ein ganz zentraler Punkt in seinem Konzept: „Das<br />
Problem ist, dass in Deutschland das Umweltthema moralisch aufgeladen und Schuldmanagement<br />
betrieben wird, vor allem von den Grünen und Umweltorganisationen, deren Mitglieder<br />
sich <strong>als</strong> Gutmenschen stilisieren. <strong>Die</strong> Deutschen wachen auf und denken sich: Ich bin zu<br />
hundert Prozent Schwein, und mein Ziel ist es, nur zu neunzig Prozent Schwein zu sein. Besser<br />
wäre, mich gäbe es nicht.” (Interview in der FAZ vom 20.01.2009) Es geht <strong>als</strong>o um die<br />
Abkehr von unproduktiven moralischen Appellen.<br />
„Cradle to cradle”-Produkte werden in zwei geschlossenen Kreisläufen so intelligent hergestellt,<br />
dass sie<br />
• entweder schadstofffrei in die Natur zurückkehren<br />
• oder <strong>als</strong> Rohstoff neu genutzt werden können (100 %-Recycling)<br />
In Braungarts Worten: „Materialien von Produkten, die für biologische Kreisläufe optimiert<br />
sind, dienen <strong>als</strong> biologische Nährstoffe, und können bedenkenlos in die Umwelt gelangen.<br />
Materialien von Produkten, die für geschlossene technische Kreisläufe konzipiert sind, dienen<br />
<strong>als</strong> technische Nährstoffe (z.B. Metalle und verschiedene Polymere). <strong>Die</strong>se Materialien sollen<br />
nicht in biologische Kreisläufe geraten.” (www.braungart.com > Cradle to Cradle-Vision)<br />
Recycling ist für Braungart nur <strong>als</strong> „Upcycling” zulässig: Es darf keine Verschlechterung der<br />
Ausgangsstoffe stattfinden. Das heute übliche „Downcycling” (Parkbänke aus alten Getränkeflaschen<br />
und ähnliches) ist nicht akzeptabel, weil Downcycling bestenfalls über einige Stufen<br />
läuft und dann doch in Müll endet.<br />
<strong>Die</strong> Gewinnung von weiteren nichterneuerbaren Rohstoffen wird auf der Webseite nicht explizit<br />
erwähnt, vermutlich stören sie nicht weiter in diesem Konzept, weil sie ja a) unter diesen<br />
Bedingungen gewonnen werden müssen und b) entweder abbaubar oder vollständig<br />
recyclebar sind. Möglicherweise nimmt Braungart in seinen Büchern dazu Stellung.<br />
Braungart möchte (wie viele andere Autoren auch) den Nutzen anstelle des Besitzes in den<br />
Vordergrund stellen: Man möchte eigentlich nur fernsehen und nicht einen Kasten voller<br />
Giftmüll kaufen und später entsorgen müssen. Das führt zur Produktverantwortung des Herstellers<br />
über die gesamte Produktlebensdauer und zu Mietmodellen.<br />
4.4.2 Kritik<br />
Ich will mich hier nicht in aller Tiefe mit dem „Cradle to cradle”-Konzept befassen. Das Problem<br />
mit den Sitzbezügen im Airbus A380 illustriert bereits ganz gut das Dilemma: Wird man<br />
alle diese schönen Wohltaten der Industrie auf diese Weise herstellen können? Den A380 mit<br />
Bio-<strong>Die</strong>sel betanken und nach Ende der Lebensdauer komplett demontieren und wiederverwenden<br />
oder kompostieren können? Meiner Ansicht nach sprechen folgende Punkte dagegen:<br />
76