Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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Menschen sind dem gewachsen, und diese wenigen werden mit immer höheren Gehältern<br />
belohnt, aber auch entsprechend „versklavt”. Man sieht keine Möglichkeit mehr, den Anforderungen<br />
etwas entgegenzusetzen, weil man seinen Arbeitsplatz nicht verlieren will.<br />
Der Jugend wird keine Perspektive geboten: Sie werden nicht mehr alle gebraucht, und man<br />
kann es sich leisten, einen Teil von ihnen aus dem System fallen zu lassen. Auf viele Ausbildungsplätze<br />
braucht man sich ohne Abitur gar nicht mehr zu bewerben, und es wird immer<br />
unsicherer, welche Berufe überhaupt noch in mehr <strong>als</strong> zehn oder zwanzig Jahre existieren<br />
werden. Berufe werden von jungen Leuten danach beurteilt, ob man viel Geld verdienen<br />
kann, und nicht danach, ob einen das interessiert. Immer wieder kommt es zu Jugendunruhen,<br />
speziell in besonders hässlichen und lebensfeindlich gestalteten Vierteln, die dann mit<br />
Gegengewalt oder ein bisschen Jugendarbeit beantwortet werden. In Südeuropa beträgt die<br />
Jugendarbeitslosigkeit teilweise 30 und 40 % – eine ganze Generation wird marginalisiert.<br />
Den älteren Arbeitnehmern wird keine Perspektive geboten: Im Handwerk bedeutet zunehmendes<br />
Alter ein Plus an Erfahrung. In der beschleunigten Welt sind die zunehmende Langsamkeit<br />
und das schnell veraltende Wissen Minuspunkte. Ältere Menschen sind nicht schlechter<br />
im Beruf, aber sie machen nicht mehr alles mit. <strong>Die</strong> Beschleunigung der Welt erfordert<br />
die immer weiter fortschreitende Verjüngung, weil der Lernprozess für den Beruf bereits im<br />
Kleinkindalter beginnt („Digital Natives”). <strong>Die</strong> Digital Natives von heute werden sich noch<br />
umschauen, wenn die nächste Phase der Produktivitätssteigerung sie wiederum alt aussehen<br />
lässt.<br />
Wir haben das Prinzip der Industrie, dass es billiger ist, mit Ausschuss zu produzieren, auf<br />
die Arbeitskraft übertragen. Zumal die Gemeinschaft freundlicherweise die Kosten trägt.<br />
Privatleben <strong>als</strong> Wirtschaft<br />
Das Privatleben wird ökonomisiert – auch hier herrscht ein Zwang zur Produktivitätssteigerung.<br />
„In Gesellschaften mit einer hohen Arbeitsproduktivität gelten Langsamkeit und eine entspannte<br />
Lebensgestaltung <strong>als</strong> sozial inakzeptabel, und die Intensität des Arbeitslebens überträgt<br />
sich auf das Leben zu Hause.” (Studie von Lindner, zitiert nach Inge Røpke,<br />
Seidl/Zahrnt 2010 S. 110) Ungeduldiges Warten ist Teil unseres Lebens geworden: An der<br />
Ampel, beim Arzt, an der Supermarktkasse. Wir bemängeln die fehlende Effizienz anderer<br />
oder des ganzen Systems.<br />
Fast Food und Fertiggerichte ersetzen das eigene Kochen, Fernsehen die Kultur. Statt gepflegt<br />
und repariert wird weggeworfen und neu gekauft. Auch weil viele Menschen technische<br />
Analphabeten sind und nicht einmal wissen, wie sie ihren Fahrradreifen flicken können,<br />
geschweige denn etwas Komplizierteres.<br />
Erziehung dient <strong>als</strong> Fitmacher für den globalen Wettbewerb, und damit kann nicht früh genug<br />
angefangen werden. Eine Mutter auf Deutschland-Radio zum Thema zweisprachige Kindergärten:<br />
„In dieser Zeit lernt man so mühelos. Es wäre doch schade, wenn diese Zeit verspielt<br />
würde!” Verspielt und ziellos ist nicht mehr drin, das kann man später immer noch machen.<br />
Schulen sind die effizienten Versorgungseinrichtungen für die Wirtschaft. Zwölf Jahre<br />
statt dreizehn, aber bitte keine Abstriche am Programm. Kultur hat zunehmend nur noch<br />
Berechtigung, wenn sie marktfähig ist, sich selbst tragen kann.<br />
Mobilität zerstört die regionalen sozialen Strukturen des Menschen. Man lebt im Speckgürtel<br />
der Stadt und fährt zur Arbeit hinein und auch wieder heraus. Individualität geht verloren:<br />
Nachdem das Auto schon seit langem die kleinen Lebensmittelläden vernichtet hat, verschwinden<br />
dank des Internet kleine Hersteller, kleine Läden, kleine Verlage, kleine Zeitungen.<br />
Schulkinder kommen aus allen möglichen Teilen der Stadt oder der Region. Auf dem<br />
Land wurden die kleinen Schulen geschlossen und in größeren Einheiten konzentriert. Landflucht<br />
– die Dörfer altern und leeren sich.<br />
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