Die ausführliche Version als pdf - Futur III
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nicht allein an der Lotterie teil, sondern nur <strong>als</strong> statistische Gesamtheit. Durch eine gesellschaftliche<br />
Entscheidung für weniger Gesundheitsausgaben wird kein konkreter Mensch zu<br />
Krankheit und Tod verurteilt, sondern die Sterbewahrscheinlichkeit erhöht sich. Vielleicht<br />
können Sie die gut 90.000 EUR genüsslich bis zum 90. Lebensjahr verjubeln. Oder dafür weniger<br />
arbeiten. Vielleicht leiden Sie aber ab 48 Jahren an einer Krankheit, die anderenfalls<br />
noch behandelt worden wäre, gegen die aber nun keine Medikamente mehr hergestellt werden<br />
oder die wenigen Therapieplätze aufgegeben wurden. Oder sterben mit 0 Jahren während<br />
einer komplizierten Geburt. Für mich ist die Antwort dennoch klar: Ich wäre sofort dabei.<br />
Ich fände das vernünftig.<br />
Ich würde auch einer Verringerung meines Krankenkassenbeitrages zustimmen, wenn ich<br />
dafür auf die Rettung per Hubschrauber verzichten müsste. Leichter würde es mir fallen,<br />
wenn ich wüsste, dass alle darauf verzichten. Ganz würde ich allerdings nicht auf die Krankenversicherung<br />
verzichten wollen, selbst wenn ich dann den ganzen Beitrag verjubeln könnte<br />
– das wäre es mir nicht wert.<br />
Bitte denken Sie nicht, nur weil heute so viel Geld für Gesundheit ausgegeben wird, würde<br />
alles finanziert, was gesundheitlich notwendig ist. Das ist prinzipiell unmöglich, denn man<br />
kann immer noch mehr machen. Es wurde schon immer und wird auch heute rationiert, d. h.<br />
medizinisch sinnvolle Leistungen unterbleiben, obwohl sie möglich wären. Man spricht nur<br />
nicht gern darüber, weil es ethisch bedenklich ist. In diese ethische Zwickmühle treiben wir<br />
selbst unsere Medizinerinnen und Mediziner, weil unser gemeinsamer Anspruch auf „Alles” zu<br />
hoch ist. Alles geht nie, und wer es verspricht, lügt. Und deshalb bleiben Therapiemöglichkeiten<br />
unerwähnt oder werden <strong>als</strong> „medizinisch nicht sinnvoll” bezeichnet. Das ist auch nicht<br />
schlimm, denn häufig würden alle bei vernünftiger Betrachtung dem zustimmen. Auch der<br />
Kranke. Das Bild des zufrieden Entschlafenen ist keine Erfindung der Bestattungsindustrie,<br />
sondern eine Lebenserfahrung.<br />
6.4.2 Verfall<br />
Das eigentliche Hindernis bei der ganzen Geschichte ist nach wie vor unsere Haltung zu<br />
Krankheit, Alter, Sterben und Tod, kurz: Zum Verfall. Verfall ist nicht so lustig wie Aufbau,<br />
Jugend, Saft und Kraft. Es schränkt die Möglichkeiten ein, es macht weniger Freude, es<br />
macht einsam. Es ist das Gegenteil von Bestätigung, es ist eine Zurückweisung. Man nennt<br />
es auch Kränkung.<br />
Menschen, die Demut, Selbstvertrauen und Vernunft besitzen, sind weniger anfällig dafür.<br />
Und denen, die nicht so viel davon haben, müssen wir mehr beistehen. Dafür brauchen wir<br />
weniger Geld <strong>als</strong> Zeit und Muße. Wir benötigen dafür eine weniger geschäftige, regionalere<br />
und kleinere Wirtschaft. Durch die Arbeitsteilung mit dem medizinischen Personal haben wir<br />
die Pflege erfolgreich ausgelagert, aber durch Reduktion auf das Wesentliche verliert sie viel<br />
vom Eigentlichen. Das medizinische Personal kann dafür wenig, auch wenn die eine oder<br />
andere Gedankenlosigkeit bereits heute zu vermeiden wäre. Aber es steht unter dem gleichen<br />
oder sogar noch höheren wirtschaftlichen Druck wie Sie. Denen macht das auch keinen<br />
Spaß. Verbünden wir uns <strong>als</strong>o mit den medizinischen Berufen, indem wir den Gesundheitsbereich<br />
finanziell verkleinern, aber menschlich gesehen vergrößern. Viel weniger Technik und<br />
Medikamente, dafür in Maßen mehr Personal.<br />
Wir sollten stärker unterscheiden zwischen Krankheiten oder Defekten, die uns den größten<br />
Teil des Lebens plagen, und solchen, die unser Ende begleiten. Nur erstere sollte man angehen,<br />
und das dürfte vergleichsweise preiswert zu haben sein. Es geht um schnellere Tode<br />
statt langer Pflege. Mehr Leben und weniger Sterben.<br />
6.4.3 Tod<br />
Am Ende steht der Tod.<br />
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