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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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• Ich habe wenig Interesse an Bequemlichkeit. Etwas unbequemer ist oft wirtschaftlicher<br />

und interessanter, mundgerecht meistens zu teuer und banal. Wer unbequem<br />

lebt, kann Geld sparen und Zufriedenheit ernten.<br />

• Ich mag das Denken. Körperliche Passivität lähmt auch den Geist. Meistens sitzen Sie<br />

vor dem Fernseher. Ihr Kopf sitzt mit, allen bunten Bildern zum Trotz. Bitte vergessen<br />

Sie nicht: Ihr Gehirn schwimmt nicht in einem Reagenzglas, sondern in ihrem Körper.<br />

Ihr Körper ist Teil ihres Denkens, und umgekehrt. Geistige Aktivität und körperliche<br />

Aktivität gehen Hand in Hand. Alles nicht neu.<br />

• Ich schätze Sinnlichkeit. Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Hand in sonnenwarme<br />

Ackererde versenkt? Den Geruch von frischgeschnittenem Holz geatmet? Das Knarren<br />

einer Holztreppe gehört? Auf Facebook? Ich denke nicht. Wir entkörperlichen unsere<br />

Welt. Manche machen <strong>als</strong> Ersatz Drachenfliegen oder Tauchen in Ägypten. Oder<br />

Fahrtensegeln. Aber es geht auch einfacher: Auf dem Fahrrad haben Sie Wind, Wetter<br />

und körperliche Betätigung. Keine Grenze zwischen Ihnen und dem Regen. Was<br />

ist denn daran schlimm? Kaufen Sie sich einen anständigen Regenumhang, und los<br />

geht's.<br />

• Ich liebe Unabhängigkeit. Das gibt mir Selbstvertrauen. Kann sogar Geld sparen, das<br />

bedeutet noch mehr Unabhängigkeit. Je weniger Geld Sie brauchen, desto mehr<br />

Selbstvertrauen können Sie erwerben. Viel Geld kann jeder.<br />

• Selbst machen stärkt die Vernunft. Sie können hinter die Dinge schauen und sich ein<br />

eigenes Urteil bilden. Sie erwerben Wissen. Reparieren bildet und spart Geld. Moderne<br />

Technik kann man immer schwieriger selbst reparieren. Wann haben Sie das letzte<br />

Mal Ihren Computer repariert? Eben.<br />

Wir haben auch deshalb keine Kultur des gewerblichen Verleihens mehr, weil viele<br />

mit vielen Dingen nicht richtig umgehen können. Ausleihen spart Ressourcen und bereichert<br />

die eigene Welt für einen Moment. Oft reicht das völlig.<br />

Ich bin ein Verfechter der „Selbstdurchführung elementarer Kulturtechniken”. Ich mag es<br />

nicht, wenn mir banale Dinge vorgekaut serviert werden, wo es mir ohne weiteres möglich<br />

ist, mit wenig Aufwand durch eigenes Denken und Handeln ein gutes Ergebnis zu erreichen.<br />

Ich habe solche Diskussionen immer wieder mit meinen Segelfreunden: Wenn Navigation<br />

das tägliche Brot des Seglers ist, dann ist das elektronische Navigationssystem GPS im Vergleich<br />

die Tiefkühlpizza - billig, bequem, macht satt. Kann man machen. Ich aber sehe nicht<br />

den Gewinn, sondern den Verlust. Das können Sie anders sehen. Unabhängigkeit ist ein tiefes<br />

inneres Bedürfnis, ein Überlebenstrieb. Wer sich von anderen abhängig macht, stirbt,<br />

wenn diese nicht mehr da sind. Das ist zum Glück heute nicht mehr ganz so, aber das Bedürfnis<br />

bleibt.<br />

Und ich mache durchaus Unterschiede: Das tägliche Kochen gehört für mich zu den elementaren<br />

Kulturtechniken, weil es ein elementares Bedürfnis befriedigt und dabei einfach ist.<br />

Sich eine Hose zu nähen oder ein Möbel zu bauen, erfordert viel mehr Spezialwissen und<br />

spezielles Handwerkszeug. Hier finde ich eine Arbeitsteilung mit anderen Handwerkern naheliegend,<br />

zumal dadurch ganz neue Kulturbereiche geschaffen werden. Meine Schneiderin<br />

wirkt zufrieden. Aber das tägliche Kochen, Stadtplan lesen an andere abgeben? Welchen<br />

Kulturbeitrag leistet GPS? Ich finde: Keinen. Es ist ein reines Instrument zur Produktivitätssteigerung<br />

und Rationalisierung. Total langweilig.<br />

Unser Kopf ist letztlich auch in dieser Hinsicht ein Spiegelbild der Welt: <strong>Die</strong> Mischung<br />

macht's. Sobald Sie Monokultur haben, wird es schwierig. Ein lebendiges Dorf oder ein<br />

Stadtkiez sind interesssant, weil die Mischung stimmt. Eine Hochhaussiedlung hat zu wenig<br />

Mischung, und auch deshalb kracht es dauernd, beispielsweise in den Vorstädten von Paris.<br />

So ein Umfeld macht aggressiv und traurig. Eine vielfältige Arbeit ist interessanter <strong>als</strong> ein<br />

monotoner Job. Mischen, nicht Entmischen. Im Kopf, in der Arbeit, in der Welt.<br />

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