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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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er, exzellente Therapeuten, umsichtiges Pflegepersonal, ausgleichende Vorgesetzte, ...) viel<br />

indirektere, schlechter messbare Früchte trägt und durch eine Steigerung der materiellen<br />

Effizienz scheinbar kompensiert werden kann. Zudem kann materielle Effizienz allein, im stillen<br />

Kämmerlein, entwickelt werden und kommt damit der „individuellen Wachstumsstrategie”<br />

entgegen, während soziale Effizienz nur in einem geeigneten Umfeld wächst und somit der<br />

eigene „Erfolg” schlechter abgrenzbar ist. Demzufolge führt der materielle Konsum zu einer<br />

völlig einseitigen Bevorzugung und überhöhten Bezahlung der technisch und wirtschaftlich<br />

ausgerichteten Berufe und im Gegenzug zu einer Geringschätzung der sozialen Berufe.<br />

<strong>Die</strong> entscheidende Frage ist: Wieviel Technik brauchen wir, um zufrieden zu sein? Wie finden<br />

wir dieses Maß? Und von wem wird das wie entschieden? Oder anders gesprochen: Wie<br />

kommen wir in Zukunft ohne Verbote, Reglementierungen und diese ganzen lästigen moralischen<br />

Appelle aus? Meine Überzeugung ist: Wenn man an den richtigen Stellschrauben<br />

dreht, dann legt man das Mobiltelefon einfach weg oder lässt den Fernseher aus, weil es<br />

uninteressant geworden ist. Dann blühen lokaler Handel und lokales Handwerk, weil sie wirtschaftlicher<br />

sind. Ohne Moral und Verbot.<br />

2.8 Wider die Vernunft<br />

2.8.1 Unter Wert<br />

Im Ergebnis landen wir in einer Wachstumsgesellschaft, in der die Unvernunft zur Regel<br />

wird. Nicht die Gier von Konzernen treibt uns in den Ruin, sondern die kollektive Unvernunft<br />

von Millionen von Individuen. Das derzeitige System des Kapitalismus schwächt mit einer<br />

Kombination von grenzenlosen wirtschaftlichen Anreizen die positiven Fähigkeiten des Menschen<br />

und verstärkt die negativen. Es schwächt Vernunft und Maßhalten, statt dessen verstärkt<br />

es Unvernunft und Wettbewerb, mit dem Ziel eines unverantwortlichen Wirtschaftswachstums.<br />

Der Mensch ist nicht schlecht – er wird schlechter gemacht, <strong>als</strong> er sein könnte.<br />

Wirtschaft und Menschen sind unvernünftig, weil ihnen zu wenig Gelegenheit für vernünftiges<br />

Handeln eingeräumt wird. Der Kapitalismus schürt über ständige Produktivitätssteigerung<br />

und die „Vergeldlichung” der Grundbedürfnisse, insbesondere des Wohnens, unsere<br />

Existenzangst. Er nährt über die Glorifizierung von Geld, Macht, Karriere und Erfolg unsere<br />

Eitelkeit. In der Standesgesellschaft wurde man in die Eitelkeit hineingeboren oder nicht,<br />

heute kann jeder die Stufe der Eitelkeit erreichen. Das weckt Energie. <strong>Die</strong> Anreize, der Botschaft<br />

des freien Marktes zu folgen, sind so überwältigend, dass nur wenige widerstehen<br />

können. Es ist schlicht zu viel verlangt, sich angesichts der Möglichkeiten und Verlockungen<br />

in irgendeiner Weise zurückzuhalten.<br />

Reichtum ist attraktiv durch Ungleichheit und Machtgefälle. Fressen, Saufen, Ficken, Knechten<br />

und Protzen <strong>als</strong> Motive wirtschaftlichen Handelns sind zwar offiziell nicht gesellschaftsfähig,<br />

tatsächlich aber systemisch erwünschte Verhaltensweisen. <strong>Die</strong> Hierarchien, Belohnungsmechanismen<br />

und Vermarktungswege der Wachstumsgesellschaft fördern genau diese<br />

Handlungsweisen, im Großen wie im Kleinen. <strong>Die</strong> Idee der Leistungsgesellschaft „Wer mehr<br />

leistet, bekommt auch mehr” wurde pervertiert in die Idee der Wettbewerbsgesellschaft<br />

„Wirtschaft ist Kampf, und es gibt Gewinner und Verlierer”.<br />

Unvernunft ist eine der Grundlagen von Werbung. Werbung nennt sich gerne hochtrabend<br />

(und verschleiernd) „Wirtschaftskommunikation”. Was aber hier stattfindet, ist kein nüchterner<br />

Informationsaustausch, sondern die bewusste, einseitige Lenkung mit allen Mitteln der<br />

psychologischen Kriegsführung.<br />

Durch die Förderung der Unvernunft ist Wirtschaftswachstum demokratiegefährdend. Vernunft<br />

ist das Leitbild der Demokratie, der rationale Diskurs ihre Essenz. Wir leben in einer<br />

Kultur, die permanent das Unvernünftige und den Egoismus betont, und wundern uns, dass<br />

in Politik und Wirtschaft keine vernünftigen Entscheidungen getroffen werden.<br />

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