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Die ausführliche Version als pdf - Futur III

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schaft zu. In einem Architekturbüro konnte ich <strong>als</strong> freier Mitarbeiter für Wärmedämmung<br />

während dieser Zeit die Finanzierung sichern. Ich hatte eine preiswerte Wohnung (!) sowie<br />

ein paar Ersparnisse und brauchte nicht viel. Während eines Aufbaustudiums war ich fasziniert<br />

von der Wirtschaftsinformatik (schuld war das „Agricola”-Projekt von Prof. Walter ...),<br />

schrieb darüber in einer Firma meine Diplomarbeit und blieb dann in dieser Firma gleich<br />

„hängen”.<br />

Im Nachhinein wird mir der Weg klarer: Das Physikstudium hatte ich gewählt, weil ich mich<br />

dort inhaltlich am wenigsten beschränken musste. <strong>Die</strong> Wirtschaftsinformatik hatte ich gewählt,<br />

weil ich das Gefühl hatte, dort in Bezug auf Wirtschaft das fortsetzen zu können, was<br />

mich im Physikstudium seinerzeit fasziniert hatte: <strong>Die</strong> Suche nach Strukturen, Modellen und<br />

Symmetrien. Wir haben alle etwas, was wir suchen.<br />

Das über die Jahrzehnte so geschaffene Gefühl der eigenen Fähigkeiten und Grenzen nennt<br />

man Selbstvertrauen. Es ist ein schwankendes Gebilde und abhängig vom Gebiet, auf das es<br />

bezogen wird. Während Demut eher später im Leben reift und man Kinder damit nicht zu<br />

früh belästigen darf, kann und muss man mit Selbstvertrauen in der ersten Minute des Lebens<br />

beginnen. Ich wünsche jedem Menschen, dass er wie ich die Möglichkeit hat, ohne<br />

massiven Druck von außen gefördert und inspiriert zu werden, ohne auf eine bestimmte Rolle<br />

oder Richtung festgelegt zu werden. Das richtet sich insbesondere an Eltern, die sich unkritisch<br />

„am Markt orientieren”. Es gibt den traurigen Witz eines Menschen, der einer Mutter<br />

oder einem Vater mit zwei Kindern begegnet und nach dem Alter fragt: „<strong>Die</strong> Juristin ist drei,<br />

und der Arzt wird fünf.” So erwirbt man kein Selbstvertrauen, so wird man zum Spiegelbild<br />

der elterlichen Eitelkeiten. Oder Ängste.<br />

Ein Klima des Wettbewerbs, in dem die Berufsorientierung im Kleinkindalter beginnt, ein<br />

dreigliedriges Schulsystem in erster Linie dem Aussieben dient, mit einem Federstreich dreizehn<br />

Jahre bis zum Abitur auf zwölf verdichtet werden, die Hürde „Assessment Center” den<br />

Zugang zu den Ausbildungen beschränkt und die Hochschulen ihre Aufgabe darin sehen, mit<br />

einem technokratischen und verdichteten Bachelor- und Master-System den Menschen auf<br />

den Markt zu dressieren, verhindert Demut, schwächt das Selbstvertrauen, nährt die Eitelkeit<br />

und schürt die Angst. In einem solchen System ist eine Selbstgestaltung gar nicht mehr<br />

möglich. Es ist nicht unsere Bestimmung, fremde Aufgaben zu erfüllen, sondern die eigene<br />

Aufgabe zu finden.<br />

6.3.3 Vernunft<br />

Das Wort Vernunft hat in unserer Gesellschaft der Ingenieure und Techniker nicht immer<br />

einen guten Klang, denn immer wieder wird damit Technikgläubigkeit, Produktivitätssteigerung<br />

und kühle Moderne verbunden und dem eine spirituelle, „natürliche” Welt der Erdverbundenheit<br />

und des Aberglaubens gegenübergestellt. Ich kann damit nicht viel anfangen,<br />

mit Technikgläubigkeit und Produktivitätssteigerung allerdings auch nicht.<br />

Wie ich eingangs formuliert habe, ist Vernunft die Fähigkeit, eine Situation unabhängig von<br />

den eigenen Befindlichkeiten (Interessen, Sehnsüchte, Ängste) zu betrachten. Es ist eine<br />

„nüchterne” Betrachtungsweise, und das Gegenteil von nüchtern ist nicht emotional, sondern<br />

benebelt. Emotionalität ist ein Gegenpol von Vernunft, ein integraler Teil des Ganzen, und<br />

Unvernunft ist die Abwesenheit von Vernunft. Vernunft ist ein aktives Sortieren und Strukturieren<br />

unserer Bilder von der äußeren Welt in unserem Gehirn, das mehr oder weniger bewusste<br />

Beiseiteräumen von Eitelkeit und Angst. Unvernunft ist ein aktives oder passives Belassen<br />

des geistigen Durcheinanders im Gehirn.<br />

Vernunft ist auch abhängig vom gesellschaftlichen Kontext, vom Zeithorizont, vom gemeinsamen<br />

Ziel. Es können Konflikte auftreten, wo jede Entscheidung vernünftig ist, aber keine<br />

optimal. So ist das Leben.<br />

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