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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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Offenheit für jede Verletzung dur<strong>ch</strong> einen Beoba<strong>ch</strong>ter, dur<strong>ch</strong> eine Unters<strong>ch</strong>eidung. Leere ist<br />

das Medium für <strong>Form</strong>. Wie bei allen Unters<strong>ch</strong>ei¬dungen (man denke beispielsweise an<br />

Bewegung und Ruhe): Es gibt ni<strong>ch</strong>t das eine ohne das an<strong>der</strong>e.<br />

Daher kommt die buddhistis<strong>ch</strong>e Weisheit:<br />

„<strong>Form</strong> ist Leere, Leere ist <strong>Form</strong>.“ ,<br />

die im folgenden Kapitel in <strong>Form</strong> einer Erörterung des „nullten Kanons“, <strong>der</strong> den Laws of<br />

<strong>Form</strong> na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> vorangestellt wurde, vertieft wird.<br />

In Bezug auf den Ursprung aller Dinge, den empty space, und die Entstehung von allem aus<br />

ihm wäre keine Unters<strong>ch</strong>eidung wahrer als eine an<strong>der</strong>e. Wahrheit ist ein Ergebnis des<br />

Treffens von Unters<strong>ch</strong>eidungen. Deshalb lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr sagen, als dass die Dinge so<br />

sind, wie sie sind, o<strong>der</strong> mit Humberto R. Maturana: erlaubt ist, was erlaubt ist. Daher rührt<br />

au<strong>ch</strong> die Rhetorik, die George Spencer Brown gebrau<strong>ch</strong>t: „Triff eine Unters<strong>ch</strong>eidung!“ Mit<br />

dem auffor<strong>der</strong>nden Imperativ umgeht er, (stets implizit) von Wahrheit reden zu müssen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Form</strong> ist das Wandelbare – die Leere ist unwandelbar, ewig mit si<strong>ch</strong> selbst<br />

identis<strong>ch</strong>.<br />

Peter Fu<strong>ch</strong>s sieht in <strong>der</strong> Leere das Versteck einer weiteren Ontologie; als wäre die Leere<br />

die wirkli<strong>ch</strong>e Wirkli<strong>ch</strong>keit und die <strong>Form</strong>en eine s<strong>ch</strong>einbare Wirkli<strong>ch</strong>keit.<br />

„Wirkli<strong>ch</strong>keiten sind Beoba<strong>ch</strong>tungsresultate. Wenn gesagt wird, hinter diesen Realitäten<br />

sei etwas wirkli<strong>ch</strong> Wirkli<strong>ch</strong>es o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> nur eine Leere, ein All-Eines etc., s<strong>ch</strong>nappt erneut<br />

die Falle <strong>der</strong> Ontologie zu.“ (FUCHS 2004: 0.4.6.1)<br />

Im vorliegenden Text wird aber keineswegs die These vertreten, dass die Leere wahrer o<strong>der</strong><br />

realer sei als die <strong>Form</strong>en. Vielmehr geht es darum zu erkennen, dass <strong>Form</strong> und Leere<br />

untrennbar verbunden sind. <strong>Die</strong> Leere ist ja eben auf keine Weise beoba<strong>ch</strong>tbar. Würde sie<br />

jemand beoba<strong>ch</strong>ten, das heißt unters<strong>ch</strong>eiden und bezei<strong>ch</strong>nen (o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> nur anzeigen,<br />

indem an<strong>der</strong>es ungezeigt bliebe), wäre sie ni<strong>ch</strong>t mehr die Leere. Zudem etabliert jede<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>-tetem. Ein praktis<strong>ch</strong>er<br />

Umgang mit dieser S<strong>ch</strong>wierigkeit, die Leere in den <strong>Form</strong>en zu sehen wird im Abs<strong>ch</strong>nitt zu<br />

Zen angedeutet. (S. 193f.)<br />

3. Das Entstehen von Universen<br />

Abs<strong>ch</strong>ließend wenden wir uns <strong>der</strong> Frage zu, wie es in dieser Theorie¬konzeption<br />

bes<strong>ch</strong>reibbar o<strong>der</strong> erklärbar ist, dass wir überhaupt eine Wirk¬li<strong>ch</strong>keit erleben bzw. dass ein<br />

Universum entsteht.<br />

Na<strong>ch</strong>dem mit den ersten beiden Abs<strong>ch</strong>nitten die Welt unterteilt wurde in Beoba<strong>ch</strong>ter und<br />

Beoba<strong>ch</strong>tetes, soll nun <strong>der</strong>en Einheit in den Blick ge¬nommen werden. Aus daoistis<strong>ch</strong>er<br />

o<strong>der</strong> buddhistis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t ist das Interessante an den Laws of <strong>Form</strong> und au<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Systemtheorie, dass in ihnen hervorgehoben wird, dass es immer ein Beoba<strong>ch</strong>ter ist, <strong>der</strong><br />

eine Wirkli<strong>ch</strong>keit auf seine Weise, mit seinen Unters<strong>ch</strong>eidungen und Wertungen wahrnimmt.<br />

Man wird auf si<strong>ch</strong> selbst aufmerksam gema<strong>ch</strong>t. Es geht weiterhin um Beoba<strong>ch</strong>tungen, die<br />

na<strong>ch</strong> außen geri<strong>ch</strong>tet sind, aber eben au<strong>ch</strong> stets darum, si<strong>ch</strong> selbst als denjenigen zu<br />

erfahren, <strong>der</strong> diese eigene Si<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Dinge wahr-nimmt und wahr-ma<strong>ch</strong>t – und damit si<strong>ch</strong><br />

selbst als die Welt zu erleben, die man sieht. Darin liegt die Einheit von allem, die All-Einheit,<br />

die identis<strong>ch</strong> mit Leere ist.<br />

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