Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Einführungstext seine wohlbegründeten Vorbe¬halte gegen die Methode von „Gerede und<br />
Interpretation“ naiv missa<strong>ch</strong>ten, indem wir überhaupt darüber s<strong>ch</strong>reiben.<br />
Das Dao ist nie, was wir darüber denken, was es sei. Unser Denken, was au<strong>ch</strong> immer wir<br />
denken, ist dann zwar <strong>der</strong> Gang <strong>der</strong> Dinge, ist ni<strong>ch</strong>t außer¬halb des Dao. Aber wenn wir<br />
meinten, wir wüssten es, wir könnten es sagen o<strong>der</strong> zeigen, ist es ni<strong>ch</strong>t das Dao. Es ist ni<strong>ch</strong>t<br />
festlegbar auf eine Seite einer Unters<strong>ch</strong>eidung, wel<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> immer. Jede Benennung geht<br />
einher mit einer Unters<strong>ch</strong>eidung, bezei<strong>ch</strong>net eben eine ihrer Seiten. Das Dao hingegen<br />
bezei<strong>ch</strong>net die Einheit aller Differenzen.<br />
Jeden Augenblick können wir füllen, wie es uns beliebt. Und das immer wie<strong>der</strong>, ni<strong>ch</strong>ts wird<br />
fest gestellt. An<strong>der</strong>erseits ist das Dao das, was von selbst ges<strong>ch</strong>ieht.<br />
Yin-Yang und <strong>der</strong> re-entry<br />
<strong>Die</strong> Bewegung des Dao ist Polarität, die im Daoismus mit dem Prinzip von Yin-Yang<br />
dargestellt wird. Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> steht das Yin-Yang-Symbol als Bild<br />
für eine Unters<strong>ch</strong>eidung bzw. <strong>Form</strong>. Es steht paradigmatis<strong>ch</strong> für jede beliebige<br />
Unters<strong>ch</strong>eidung. In <strong>der</strong> daoistis<strong>ch</strong>en Tradition wurden den beiden „Polen“, wie sie au<strong>ch</strong><br />
genannt werden, diverse Unters<strong>ch</strong>eidungen wie weibli<strong>ch</strong> – männli<strong>ch</strong>, dunkel – hell, Mond –<br />
Sonne, Leere – <strong>Form</strong>, passiv – aktiv, tot – lebendig, negativer Pol – posi¬tiver Pol, Leid –<br />
Freude, krank – gesund etc. zugeordnet. Yin-Yang symbolisiert die <strong>Form</strong> <strong>der</strong><br />
Unters<strong>ch</strong>eidung, wie sie si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung ihrer Definition im elften Kapitel <strong>der</strong> Laws of<br />
<strong>Form</strong> darstellt. Si<strong>ch</strong> unter Yin und Yang Gegensätze vorzustellen, die einan<strong>der</strong><br />
auss<strong>ch</strong>ließen, ist wohl einer westli<strong>ch</strong>en Denkgewohnheit zuzus<strong>ch</strong>reiben, wohingegen eine<br />
östli<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> ergänzende Polaritäten statt Gegensätze sieht. Für den Daoisten gehören die<br />
Pole Yin-Yang zusammen, wie bei je<strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung die beiden Seiten, und zwar in dem<br />
Sinne, dass sie si<strong>ch</strong> ergänzen. Das finden wir au<strong>ch</strong> in dem Yin-Yang-Symbol:<br />
<strong>Die</strong> beiden Seiten, die dur<strong>ch</strong> die Spaltung des Dao entstehen, werden dur<strong>ch</strong> eine Kreisfigur<br />
symbolisiert, die si<strong>ch</strong> in einer Wellenbewegung in eine s<strong>ch</strong>warze und eine weiße Hälfte teilt.<br />
Und jede Seite birgt das jeweils an<strong>der</strong>e Prinzip in <strong>Form</strong> eines Punktes in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Farbe<br />
in si<strong>ch</strong>. In vertiefenden daoistis<strong>ch</strong>en Darstellungen werden die beiden Punkte au<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong><br />
als Kreise mit zwei Seiten gezei<strong>ch</strong>net, entspre<strong>ch</strong>end dem Yin-Yang-Symbol.<br />
<strong>Die</strong> Verwandts<strong>ch</strong>aft, wenn ni<strong>ch</strong>t funktionale Äquivalenz, zum re-entry und dem Bild des<br />
Tunnels ist offenkundig. Eine Unters<strong>ch</strong>eidung besteht immer aus zwei voneinan<strong>der</strong><br />
abhängigen Seiten. Man gelangt, ohne die Grenze zu kreuzen, von <strong>der</strong> einen auf die an<strong>der</strong>e<br />
Seite. Jede Seite führt die an<strong>der</strong>e mit si<strong>ch</strong>.<br />
Dem Symbol liegt das Wissen zu Grunde, dass, wenn eine <strong>der</strong> beiden Seiten vers<strong>ch</strong>wände<br />
o<strong>der</strong> ausges<strong>ch</strong>lossen würde – wenn das überhaupt mögli<strong>ch</strong> o<strong>der</strong> wüns<strong>ch</strong>enswert wäre –,<br />
damit die gesamte Unters<strong>ch</strong>eidung vers<strong>ch</strong>wände. Unters<strong>ch</strong>eidungen als Polaritäten<br />
aufzufassen meint, sie wie Seiten einer Münze o<strong>der</strong> Pole eines Magneten zu sehen.<br />
Wie in den Laws of <strong>Form</strong> finden wir au<strong>ch</strong> im Dao De Jing die Zusammen-gehörigkeit und das<br />
gegenseitige Bedingen <strong>der</strong> beiden Pole einer jeden Unters<strong>ch</strong>eidung:<br />
„alle wissen, daß s<strong>ch</strong>ön das s<strong>ch</strong>öne, so gibt es das häßli<strong>ch</strong>e<br />
alle wissen, dass gut das gute, so gibt es das böse<br />
denn: voll und leer gebären einan<strong>der</strong><br />
lei<strong>ch</strong>t und s<strong>ch</strong>wer vollbringen einan<strong>der</strong><br />
lang und kurz bedingen einan<strong>der</strong><br />
ho<strong>ch</strong> und niedrig bezwingen einan<strong>der</strong><br />
klang und ton stimmen einan<strong>der</strong><br />
Vorher und na<strong>ch</strong>her folgen einan<strong>der</strong>.“ (LAUDSE: Abs<strong>ch</strong>nitt 2 Anfang)<br />
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