12.10.2014 Aufrufe

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Abgesehen von dieser s<strong>ch</strong>önen Beweisidee haben wir mitverfolgt, wie die Methode von<br />

Befehl und Betra<strong>ch</strong>tung praktis<strong>ch</strong> aussieht: Anweisungen ausführen („Nimm ... an“,<br />

„Bere<strong>ch</strong>ne ...“) und zu überlegen, was es ist, das man so erhält, wel<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

vorliegen und was das hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> zu klärenden Frage bedeutet.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> „Methode von Befehl und Betra<strong>ch</strong>tung“ ist au<strong>ch</strong> zu verstehen, dass<br />

George Spencer Brown in dem ersten Vorwort <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>, <strong>der</strong> „Vorstellung <strong>der</strong><br />

internationalen Ausgabe“, betont,<br />

„dass es in diesem Text nirgendwo einen einzigen Satz gibt, wel<strong>ch</strong>er besagt, was o<strong>der</strong> wie<br />

irgend etwas ist.“ (SPENCER BROWN 1997: X)<br />

Außer diesem Satz selbst. Ironis<strong>ch</strong>erweise ist diese Feststellung die einzige Setzung, <strong>der</strong><br />

einzige Satz in den Laws of <strong>Form</strong>, <strong>der</strong> sagt, wie etwas ist, bzw. wie etwas ni<strong>ch</strong>t ist – das<br />

heißt, man kann das nur glauben o<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t, bis man es dur<strong>ch</strong> den Na<strong>ch</strong>vollzug des Kalküls<br />

geprüft hat. Der zitierte Satz bleibt jedo<strong>ch</strong> ein Satz, <strong>der</strong> etwas darüber aussagt, was o<strong>der</strong> wie<br />

irgend etwas ist: Es ist so, dass es in den Laws of <strong>Form</strong> keinen Satz gibt, <strong>der</strong> besagt, was<br />

o<strong>der</strong> wie etwas ist. <strong>Die</strong>se Problematik wird ents<strong>ch</strong>ärft, wenn man „diesen Text“ (Zitat) auf die<br />

Darstellung des Kalküls bezieht, also auf die 12 Kapitel des Haupttextes <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>.<br />

Hier soll nur vorberei¬tend darauf hingewiesen werden, dass diese Problematik dadur<strong>ch</strong><br />

entsteht, dass <strong>der</strong> zitierte Satz au<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong> selbst bezogen wird. Für den Haupttext gilt<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>, dass er nur Sätze enthält, die auffor<strong>der</strong>n, etwas zu tun (zu benennen, zu<br />

unters<strong>ch</strong>eiden, Regeln anzuwenden etc.) und zu betra<strong>ch</strong>ten, was si<strong>ch</strong> daraus ergibt.<br />

Da es eine <strong>der</strong> Absi<strong>ch</strong>ten dieses Textes ist, anhand <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> zu zeigen, dass<br />

Objekte o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Manifestationen von Unters<strong>ch</strong>eidungen in diesem Sinne ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong><br />

(objektiv, unabhängig) sind, da die Welt keine Unters<strong>ch</strong>eidungen enthält, son<strong>der</strong>n wir<br />

Beoba<strong>ch</strong>ter es sind, die diese mit dem Prozess des Beoba<strong>ch</strong>tens mit-produzieren, geraten<br />

wir in das Problem,<br />

„dass wir in einem Bu<strong>ch</strong> Worte und an<strong>der</strong>e Symbole in einem Versu<strong>ch</strong> gebrau<strong>ch</strong>en müssen,<br />

das auszudrücken, was <strong>der</strong> Gebrau<strong>ch</strong> von Worten und an<strong>der</strong>en Symbolen bislang<br />

vers<strong>ch</strong>leiert hat.“ (SPENCER BROWN 1997: XXXIV)<br />

Denn Spra<strong>ch</strong>e ist, da sie auf den Gebrau<strong>ch</strong> von Unters<strong>ch</strong>eidungen ange¬wiesen ist,<br />

einerseits unfähig zu bes<strong>ch</strong>reiben, wie Realität entsteht, an<strong>der</strong>er¬seits ist sie aber gerade<br />

das Medium, das wir benötigen o<strong>der</strong> zumindest einsetzen, so dass Realität erzeugt und<br />

wahrgenommen werden kann. Erst indem die Aufmerksamkeit auf das Treffen von<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen geri<strong>ch</strong>tet wird, können wir erkennen, wie Realität zu Existenz gelangt, und<br />

einen Versu<strong>ch</strong> unternehmen, dur<strong>ch</strong> Spra<strong>ch</strong>e das Unsagbare zu sagen. So benutzt die Lehro<strong>der</strong><br />

Darstellungsmethode von Befehl und Betra<strong>ch</strong>tung Spra<strong>ch</strong>e, um zu einer letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>tspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Erfahrung, Erkenntnis o<strong>der</strong> Einsi<strong>ch</strong>t zu führen.<br />

Spra<strong>ch</strong>e ist nur vorstellbar, indem mit ihr abgegrenzt wird, beispiels¬weise indem jemand<br />

über etwas spri<strong>ch</strong>t, und indem sie (bzw. mit ihr) zwis<strong>ch</strong>en dem, über das jemand spri<strong>ch</strong>t, und<br />

an<strong>der</strong>em, über das er ni<strong>ch</strong>t spri<strong>ch</strong>t, zu unters<strong>ch</strong>eiden ermögli<strong>ch</strong>t. Spra<strong>ch</strong>e gebrau<strong>ch</strong>t<br />

notwendig Unter¬s<strong>ch</strong>eidungen; und zwar in je<strong>der</strong> Wortverwendung, da jedes Wort von<br />

an<strong>der</strong>em Unters<strong>ch</strong>iedenes meint.<br />

Wie wir aus dem Kalkül ersehen, sind Worte o<strong>der</strong> Namen ni<strong>ch</strong>t als Verweise auf eine<br />

unabhängige Realität zu verstehen. Vielmehr markieren sie Grenzziehungen eines<br />

Beoba<strong>ch</strong>ters, denn sie erhalten ihren Gehalt eben nur dur<strong>ch</strong> einen Beoba<strong>ch</strong>ter, <strong>der</strong> eine<br />

Anzeige verwendet, um eine Unter¬s<strong>ch</strong>eidung operativ brau<strong>ch</strong>bar zu ma<strong>ch</strong>en. Deshalb ist es<br />

unmögli<strong>ch</strong>, die Welt o<strong>der</strong> Wirkli<strong>ch</strong>keit, wie sie unabhängig von einem Beoba<strong>ch</strong>ter sein<br />

könnte, zu bes<strong>ch</strong>reiben. Jede Bes<strong>ch</strong>reibung ist die Bes<strong>ch</strong>reibung eines Beoba<strong>ch</strong>ters. Und<br />

jede Unters<strong>ch</strong>eidung ist eine Unters<strong>ch</strong>eidung eines Beoba<strong>ch</strong>ters. Das, was <strong>der</strong> Fall ist, ist<br />

immer für einen Beoba<strong>ch</strong>ter <strong>der</strong> Fall.<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!