Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Zirkularität und konditionierte Koproduktion<br />
Das Konzept <strong>der</strong> konditionierten Koproduktion , von dem George Spencer Brown in den<br />
Anmerkungen spri<strong>ch</strong>t, bes<strong>ch</strong>reibt, dass we<strong>der</strong> die Welt no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter einen Vorrang<br />
vor dem an<strong>der</strong>en haben. Im Umgang mit einer Umwelt entwickelt ein System Strukturen, mit<br />
denen es mit <strong>der</strong> Umwelt umgehen kann. Der Beoba<strong>ch</strong>ter ist ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong> „Erzeu¬ger“ von<br />
Welt, son<strong>der</strong>n glei<strong>ch</strong>ermaßen <strong>der</strong> „Erzeugte“. Peter Fu<strong>ch</strong>s bes<strong>ch</strong>reibt diesen Sa<strong>ch</strong>verhalt<br />
und kommt zu dem S<strong>ch</strong>luss:<br />
„<strong>Die</strong> Figur <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung als (...) erzeugend Erzeugtes ist erhebli<strong>ch</strong> vitalisiert worden,<br />
seitdem George Spencer Browns Kalkül auf sie appliziert werden kann.“ (FUCHS 2003a: 75)<br />
Au<strong>ch</strong> Humberto R. Maturana formuliert, was wir s<strong>ch</strong>on aus den Laws of <strong>Form</strong> ersehen<br />
haben:<br />
„Ohne den Beoba<strong>ch</strong>ter gibt es ni<strong>ch</strong>ts!“ (MATURANA 2003: 109)<br />
Das heißt, jedem „Sein“ (als Gegensatz des „ni<strong>ch</strong>ts“ aus dem Zitat) liegt ein Beoba<strong>ch</strong>ter zu<br />
Grunde. Beoba<strong>ch</strong>ter und Welt kommen und gehen gemeinsam. In <strong>der</strong> Erfors<strong>ch</strong>ung und<br />
Bes<strong>ch</strong>reibung von Beoba<strong>ch</strong>tung geraten wir in eine zirkuläre Position, die für Humberto R.<br />
Maturana <strong>der</strong> Ausgangspunkt für obige Feststellung ist:<br />
„Es ist <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter, dessen Operation i<strong>ch</strong> – operierend als ein Beoba<strong>ch</strong>ter – verstehen<br />
mö<strong>ch</strong>te; es ist die Spra<strong>ch</strong>e, die i<strong>ch</strong> – in <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>e lebend – erklären will; es ist das<br />
Spre<strong>ch</strong>en, das i<strong>ch</strong> – spre<strong>ch</strong>end – genauer bes<strong>ch</strong>reiben mö<strong>ch</strong>te. Kurzum: Es gibt keine<br />
Außensi<strong>ch</strong>t dessen, was es zu erklären gilt.“ (MATURANA 2003: 109)<br />
O<strong>der</strong> in einer etwas an<strong>der</strong>en <strong>Form</strong>ulierung:<br />
„Der Beoba<strong>ch</strong>ter ist das Fors<strong>ch</strong>ungsthema, das i<strong>ch</strong> habe, er ist das Fors<strong>ch</strong>ungsziel und<br />
glei<strong>ch</strong>zeitig unvermeidli<strong>ch</strong> das Instrument <strong>der</strong> Erfors<strong>ch</strong>ung.“ (MATURANA 2003: 109)<br />
Das verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t die Position des Wissens<strong>ch</strong>aftlers, <strong>der</strong> beoba<strong>ch</strong>tend die Beoba<strong>ch</strong>tung<br />
erfors<strong>ch</strong>t und damit unweigerli<strong>ch</strong> in einen selbstbezügli<strong>ch</strong>en Zirkel gerät. George Spencer<br />
Brown meint mit <strong>der</strong> konditionierten Ko¬produktion jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> etwas Allgemeineres.<br />
Ausgangspunkt ist die „Erweiterung <strong>der</strong> Referenz“, die na<strong>ch</strong> dem fünf¬ten Kanon<br />
uneinges<strong>ch</strong>ränkt fortgesetzt werden kann. Für den Indikationen¬kalkül bedeutet das, dass<br />
je<strong>der</strong> Raum, jede Seite einer Unters<strong>ch</strong>eidung weiter unters<strong>ch</strong>ieden werden kann. Für die<br />
Erkenntnistheorie können wir dies interpretieren: Wenn wir eine Seite weiter<br />
ausdifferenzieren, bezei<strong>ch</strong>¬nen wir etwas an<strong>der</strong>es als zuvor. Und damit än<strong>der</strong>t si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
unbezei<strong>ch</strong>nete Seite. Wenn Beoba<strong>ch</strong>ter unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausdifferenziert beoba<strong>ch</strong>ten,<br />
erzeugen sie unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Welten. Das heißt, dass die eine Seite mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
koproduziert wird; sie bedingen einan<strong>der</strong> und können ni<strong>ch</strong>t als unabhängig voneinan<strong>der</strong><br />
betra<strong>ch</strong>tet werden. <strong>Die</strong>ses Verknüpftsein ist konditioniert, da es ni<strong>ch</strong>t beliebig ist. Eine<br />
Ausdifferenzierung <strong>der</strong> einen Seite bedingt die Än<strong>der</strong>ung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />
Das Konzept <strong>der</strong> konditionierten Koproduktion wird ergänzt dur<strong>ch</strong> das folgende Konzept <strong>der</strong><br />
selektiven Blindheit.<br />
Selektive Blindheit<br />
In Appendix 6, dem letzten Anhang <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Übersetzung <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>, dem<br />
S<strong>ch</strong>lusswort, bes<strong>ch</strong>reibt George Spencer Brown das Konzept <strong>der</strong> selektiven Blindheit. Es<br />
bringt zum Ausdruck, dass und wie Erkennen und Ni<strong>ch</strong>t-erkennen-können (Blindheit)<br />
zusammen hängen. Das S<strong>ch</strong>luss¬wort beginnt mit:<br />
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