Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Vorwort von Peter Fu<strong>ch</strong>s<br />
What is the odds?<br />
„Es zeigte si<strong>ch</strong>,<br />
daß hinter dem sogenannten Vorhang,<br />
wel<strong>ch</strong>er das Innere verdecken soll,<br />
ni<strong>ch</strong>ts zu sehen ist, wenn wir ni<strong>ch</strong>t selbst dahinter gehen,<br />
ebensosehr damit gesehen werde,<br />
als daß etwas dahinter sei,<br />
das gesehen werden kann.“<br />
Georg Wilhelm Friedri<strong>ch</strong> Hegel<br />
What is the odds? Was ma<strong>ch</strong>t es s<strong>ch</strong>on aus, wenn man an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong><br />
Unverständli<strong>ch</strong>keit sagt, daß Kognition (und Kommunikation) auf unter¬s<strong>ch</strong>iedenen<br />
Unters<strong>ch</strong>ieden beruhen, die si<strong>ch</strong> ihrerseits unters<strong>ch</strong>eiden und bezei<strong>ch</strong>nen lassen, die also<br />
zum Einsatz kommen, wenn man irgendwie einen Unters<strong>ch</strong>ei<strong>der</strong> hat, <strong>der</strong> aber ni<strong>ch</strong>t min<strong>der</strong><br />
unters<strong>ch</strong>ieden werden muß, damit er vor die Kulissen treten kann: als Beoba<strong>ch</strong>ter, dem einst<br />
ein so gravitätis<strong>ch</strong>er Titel wie ‚Subjekt’ verliehen wurde, ein Titel, <strong>der</strong> heute nur no<strong>ch</strong> und<br />
allenfalls als Markierung einer <strong>Die</strong>nstuntaugli<strong>ch</strong>keit dienli<strong>ch</strong> zu sein s<strong>ch</strong>eint und ansonsten<br />
den Status einer epistemologis<strong>ch</strong>en Blockade einnimmt? –<br />
Es ma<strong>ch</strong>t prima vista wenig aus, könnte man sagen, denn Sinnsysteme, als die wir<br />
psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e und soziale Systeme aufzufassen geneigt sind, arbeiten glei<strong>ch</strong>wohl robust und<br />
unbekümmert um sol<strong>ch</strong>e Zirkularitäten und Subtilitäten vor si<strong>ch</strong> hin. Erst <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t-alltägli<strong>ch</strong>e,<br />
<strong>der</strong> wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Versu<strong>ch</strong>, zu verstehen, wie diese Robustheit mögli<strong>ch</strong> ist, erst die<br />
Revitali¬sierung des alten Staunens über den mirakulösen Umstand, daß in einem<br />
ungeheuerli<strong>ch</strong>en Universum beoba<strong>ch</strong>tet, geda<strong>ch</strong>t und kommuniziert wird unter<br />
unausdenkbar komplexen Voraussetzungen, die exakt dur<strong>ch</strong> dieses Denken und<br />
Kommunizieren entstehen, führt auf die Frage, was si<strong>ch</strong> da wie und auf wel<strong>ch</strong>e Weise<br />
konditioniert so eindrucksvoll geordnet abspult, daß man gar ni<strong>ch</strong>t umhinkommt,<br />
ordnungsbefähigte Beoba<strong>ch</strong>ter zu unterstellen, zugrundeliegende Einheiten (hypokeimena,<br />
Subjekte), die si<strong>ch</strong> ihre Objekte (ihre Welt, ihre ‚Entgegengeworfenheiten’) konstruieren, und<br />
zwar so, daß wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Beoba<strong>ch</strong>ter, die Teil dieser Welt sind, also dieselben<br />
Operationen <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung vollziehen, es unternehmen können, ebendiese<br />
beoba<strong>ch</strong>tungsgestützten Projektionen zu rekonstruieren.<br />
Und dabei s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong> selbst stoßen, o<strong>der</strong> besser: darauf, daß ihre Beoba<strong>ch</strong>tungen<br />
ni<strong>ch</strong>t weniger an Kognition und Kommunikation geknüpft sind als die <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter, die sie<br />
beoba<strong>ch</strong>ten. Und das heißt au<strong>ch</strong>: Sie entdecken si<strong>ch</strong> als ni<strong>ch</strong>t-privilegierte Konstrukteure von<br />
Konstruktionen und damit zuglei<strong>ch</strong>: als eingewoben in ein never-ending game<br />
unters<strong>ch</strong>eiden<strong>der</strong>, bezei<strong>ch</strong>nen<strong>der</strong> Bezugnahmen, als – wenn man Bil<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en<br />
Kulturkreisen su<strong>ch</strong>t – eingebunden in das kristallene Netz <strong>der</strong> Gottheit Indra, in dem alles,<br />
was ist, irgendwie gespiegeltes Spiegelbild in Spiegeln ist. <strong>Die</strong> alte Metapher vom S<strong>ch</strong>leier<br />
<strong>der</strong> Maya gewinnt dann einen au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne jählings plausiblen Sinn.<br />
Es nimmt ni<strong>ch</strong>t Wun<strong>der</strong>, daß jene Entdeckung des Beoba<strong>ch</strong>ters, des Beoba<strong>ch</strong>tens, <strong>der</strong><br />
Beoba<strong>ch</strong>tungsabhängigkeit <strong>der</strong> Welt, die wir – beoba<strong>ch</strong>¬tend – instituieren, dana<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reit,<br />
erkenntnistheoretis<strong>ch</strong> unterfüttert, logis<strong>ch</strong> reformuliert und damit <strong>der</strong> wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
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