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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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an<strong>der</strong>en –1 für x und umgekehrt. Wir erkennen eine zur Russells<strong>ch</strong>en <strong>Paradoxie</strong> identis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Form</strong>, wenn wir +1 und –1 mit den beiden Seiten identifizieren, zwis<strong>ch</strong>en denen <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong><br />

gewählten Glei<strong>ch</strong>ung oszilliert (dort waren die Seiten: selbstbeinhaltend o<strong>der</strong> -<br />

auss<strong>ch</strong>ließend; im Indikationenkalkül markiert und unmarkiert). <strong>Die</strong> Annahme <strong>der</strong> einen<br />

Lösung – und Einsetzung für x auf einer <strong>der</strong> Seiten – verweist auf die an<strong>der</strong>e Lösung – das<br />

(no<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>t fest¬gelegte x auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite nimmt den ni<strong>ch</strong>t angenommenen Wert an.<br />

<strong>Die</strong>s liefert uns eine formale Ans<strong>ch</strong>auung dessen, was wir <strong>Form</strong> <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong> genannt<br />

haben.<br />

<strong>Die</strong> Ähnli<strong>ch</strong>keiten zwis<strong>ch</strong>en diesen Glei<strong>ch</strong>ungen und selbstbezügli<strong>ch</strong>en Aussagen sind<br />

augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>: So, wie eine Zahl entwe<strong>der</strong> positiv, negativ o<strong>der</strong> die Null sein muss, gibt es<br />

für Aussagen die Kategorien wahr, fals<strong>ch</strong> und „bedeutungslos“; so, wie selbstbezügli<strong>ch</strong>e<br />

Aussagen auf zwei vers<strong>ch</strong>iedenen Ebenen betra<strong>ch</strong>tet werden, steht das x in den<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen einmal im Nenner und einmal im Zähler; und s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong>: so, wie<br />

selbst¬bezügli<strong>ch</strong>e Aussagen, die wir für problematis<strong>ch</strong> (paradox) halten, eine Negation<br />

enthalten müssen, steht in Glei<strong>ch</strong>ung b ein Minuszei<strong>ch</strong>en.<br />

Wenn man demna<strong>ch</strong> die Theorie <strong>der</strong> Typen von Bertrand Russell und Alfred North<br />

Whitehead konsequent verfolgen würde, müsste man die gesamte Mathematik eliminieren,<br />

die mit komplexen Zahlen arbeitet. Aber je<strong>der</strong> Mathematiker und Physiker weiß, dass es<br />

ohne diese Zahlen ni<strong>ch</strong>t mehr geht und dass man mit ihnen arbeiten kann – und damit auf<br />

ganz reale Ergebnisse kommt. Denn ohne den (ganz praktis<strong>ch</strong>en) Gebrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong> imaginären<br />

Einheit ist die Welt, te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> wie sie heute ist, ni<strong>ch</strong>t vorstell-bar. <strong>Die</strong>se Argumentation bringt<br />

George Spencer Brown auf den Punkt:<br />

„<strong>Die</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e, dass imaginäre Werte gebrau<strong>ch</strong>t werden können, um auf eine reale und<br />

bestimmte Antwort zu s<strong>ch</strong>ließen, gepaart mit <strong>der</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e, dass dies in <strong>der</strong> heutigen<br />

mathematis<strong>ch</strong>en Praxis ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ieht, und ebenso gepaart mit <strong>der</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e, dass<br />

bestimmte Glei<strong>ch</strong>ungen offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ohne den Gebrau<strong>ch</strong> imaginärer Werte gelöst<br />

werden können, bedeutet, dass es mathematis<strong>ch</strong>e Aussagen geben muss (<strong>der</strong>en Wahrheit<br />

o<strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>twahrheit tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> perfekt ents<strong>ch</strong>ieden werden kann), die mit den Methoden <strong>der</strong><br />

S<strong>ch</strong>lussfolgerung, auf die wir uns bislang bes<strong>ch</strong>ränkt haben, ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>ieden werden<br />

können.“ (SPENCER BROWN 1997: 86)<br />

Das heißt au<strong>ch</strong>, dass es erwartbar ers<strong>ch</strong>eint, dass wir Theoreme finden werden, <strong>der</strong>en<br />

Wahrheit (im Sinne von Beweisbarkeit) ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>ieden werden kann, solange wir auf<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen ersten Grades bes<strong>ch</strong>ränkt sind. Bei den meisten unbewiesenen und von daher<br />

problematis<strong>ch</strong>en Sätzen, die es in <strong>der</strong> Mathematik gibt, wurde no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong><br />

unternommen, sie auf Grundlage des Indikationenkalküls zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Ledigli<strong>ch</strong> das Vier-<br />

Farben-Theorem, das wegen seiner Ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>keit, Einfa<strong>ch</strong>heit und vor allem wohl dur<strong>ch</strong><br />

die S<strong>ch</strong>wierigkeit, es zu beweisen, berühmt wurde, hat George Spencer Brown bewiesen<br />

(Vgl. SPENCER BROWN 1997: 141-191).<br />

3. <strong>Die</strong> <strong>Form</strong> <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong><br />

Der erste Satz dieses Kapitels fehlt.<br />

Ein grundsätzli<strong>ch</strong>es Anliegen dieses Textes ist es, den <strong>Paradoxie</strong>begriff zu präzisieren. Dazu<br />

wird im Folgenden an einigen Beispielen und Gegen¬beispielen für <strong>Paradoxie</strong>n die Grenze<br />

zwis<strong>ch</strong>en paradoxen und an<strong>der</strong>en formalen Strukturen ges<strong>ch</strong>ärft und die gemeinsame<br />

formale Struktur von <strong>Paradoxie</strong>n dargestellt, hier „<strong>Form</strong> <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong>“ genannt. Zunä<strong>ch</strong>st<br />

kommen wir aber auf die die Grundlagenkrise <strong>der</strong> Mathematik auslösende <strong>Paradoxie</strong> von<br />

Bertrand Russell zurück.<br />

<strong>Die</strong> Russells<strong>ch</strong>e <strong>Paradoxie</strong><br />

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