Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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<strong>Die</strong> beiden polaren Kräfte wandeln si<strong>ch</strong> ineinan<strong>der</strong>, lösen si<strong>ch</strong> gegenseitig ab und bringen<br />
dur<strong>ch</strong> ihr Zusammen- und Gegeneinan<strong>der</strong>wirken alle Ers<strong>ch</strong>einungen des Kosmos hervor.<br />
Es liegt eher im Bestreben eines Daoisten, die beiden Seiten einer Unters<strong>ch</strong>eidung, letztli<strong>ch</strong><br />
Yin-Yang, in Harmonie zu bringen (o<strong>der</strong> si<strong>ch</strong> selbst in Harmonie mit dem Wandel), ohne eine<br />
<strong>der</strong> Seiten höher o<strong>der</strong> besser zu bewerten.<br />
„darum tut <strong>der</strong> weise ohne taten<br />
bringt belehrung ohne worte<br />
so gedeihen die dinge ohne wi<strong>der</strong>stand<br />
so lässt er sie wa<strong>ch</strong>sen und besitzt sie ni<strong>ch</strong>t<br />
tut und verlangt ni<strong>ch</strong>ts für si<strong>ch</strong><br />
nimmt ni<strong>ch</strong>ts für si<strong>ch</strong>, was er vollbra<strong>ch</strong>t<br />
und da er ni<strong>ch</strong>ts nimmt<br />
verliert er ni<strong>ch</strong>ts.“ (LAO-ZI: Abs<strong>ch</strong>nitt 2 Ende)<br />
Der Mens<strong>ch</strong> ist ein Teil des Ganzen: Sein Denken, Spre<strong>ch</strong>en, Handeln ist ein Teil des<br />
Gesamtges<strong>ch</strong>ehens. Etwas errei<strong>ch</strong>en und also etwas än<strong>der</strong>n zu wollen, etwas – au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />
selbst – ni<strong>ch</strong>t dem Gang <strong>der</strong> Dinge zu überlassen, bringt einen S<strong>ch</strong>nitt ins Dao. Aber wertet<br />
<strong>der</strong> Daoist dann ni<strong>ch</strong>t Einklang bzw. Harmonie höher als ihr Gegenteil? Jedo<strong>ch</strong>: <strong>Die</strong>ser<br />
„S<strong>ch</strong>nitt“ ist selbst wie<strong>der</strong> Dao. Au<strong>ch</strong> an dieser Stelle müssen wir ni<strong>ch</strong>t werten.<br />
Man versu<strong>ch</strong>t nur dann, etwas zu verän<strong>der</strong>n und zu errei<strong>ch</strong>en, wenn man ni<strong>ch</strong>t verstanden<br />
hat, dass es ni<strong>ch</strong>t geht, dass man vom Gang <strong>der</strong> Dinge ni<strong>ch</strong>t abwei<strong>ch</strong>en kann. Der „Weise“<br />
ist deshalb aber ni<strong>ch</strong>t passiv. Er erkennt den Gang <strong>der</strong> Dinge und fügt si<strong>ch</strong> harmonis<strong>ch</strong> ein,<br />
er wirkt im Kleinen und erzielt große Effekte.<br />
<strong>Die</strong> Leere ist s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong>. Yin-Yang ist die Bewegung des Dao.<br />
„<strong>Die</strong> Weltans<strong>ch</strong>auung von Yin und Yang ist zyklis<strong>ch</strong> und heiter. Glück und Unglück, Leben<br />
und Tod, im kleinen und im großen, kommen und gehen ewig fort ohne Anfang o<strong>der</strong> Ende.“<br />
(WATTS 1983: 59)<br />
Kein Ding, keine konkrete <strong>Form</strong> hat Dauer. Alles wandelt si<strong>ch</strong>. Es existiert keine Identität von<br />
si<strong>ch</strong> aus. Wenn Identitäten festgestellt also beoba<strong>ch</strong>tet werden, dann eben nur von einem<br />
Beoba<strong>ch</strong>ter; aber es sind (von si<strong>ch</strong> aus) keine Identitäten. Nur die <strong>Form</strong>, in <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> alles<br />
wandelt, hat Bestand: Verän<strong>der</strong>ung ist die einzige Konstante.<br />
Das trifft ni<strong>ch</strong>t nur auf alle einem Beoba<strong>ch</strong>ter äußeren Unters<strong>ch</strong>eidungen zu, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong><br />
auf die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>tetem. Angenommen: Für si<strong>ch</strong><br />
selbst sei ein Beoba<strong>ch</strong>ter eine Identität. An<strong>der</strong>e Beoba<strong>ch</strong>ter sehen au<strong>ch</strong> eine Identität in dem<br />
ersten Beoba<strong>ch</strong>ter – es ist jedo<strong>ch</strong> extrem unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass sie tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die glei<strong>ch</strong>e<br />
sehen, denn sie beoba<strong>ch</strong>ten mit vers<strong>ch</strong>iedener Gewi<strong>ch</strong>tung unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>ster<br />
Unters<strong>ch</strong>eidungen.<br />
Wenn si<strong>ch</strong> ein Beoba<strong>ch</strong>ter auf die innere Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst ma<strong>ch</strong>t, so wird er letztli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>ts finden. Er kann keine festhaltbare Identität finden, weil er dann s<strong>ch</strong>on immer<br />
unters<strong>ch</strong>eidet zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Identität, die er findet bzw. gefunden hat, und dem, <strong>der</strong> sie<br />
gefunden und festgehalten hat. Er ist immer jetzt, in diesem Augenblick gegenwärtig und<br />
kann deshalb ni<strong>ch</strong>t fest-gestellt werden. Weil jede Festlegung Zeit benötigt, ist das Jetzt<br />
bereits vergangen. An<strong>der</strong>erseits findet man sehr wohl etwas, wenn man die Leere in si<strong>ch</strong><br />
entdeckt (vgl. das einführende Zitat des Vorwortes, S. 5).<br />
Eine Frage, die hier nur kurz angedeutet werden soll, betrifft, wie diese Vorstellungen denn<br />
ganz praktis<strong>ch</strong> umgesetzt werden können o<strong>der</strong> sollen. Na<strong>ch</strong> all dem erkennen wir nun<br />
viellei<strong>ch</strong>t, dass Fragen na<strong>ch</strong> allgemeinen Ri<strong>ch</strong>tlinien, die aus <strong>der</strong> „Theorie“ folgen, in o<strong>der</strong> mit<br />
dieser „Theorie“ ni<strong>ch</strong>t beantwortet werden können. O<strong>der</strong> aus Spencer Browns<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />
formu¬liert: Eines <strong>der</strong> Prinzipien, das die Laws of <strong>Form</strong> exemplifizieren, besagt, dass ni<strong>ch</strong>t<br />
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