Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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„Es kann keine Unters<strong>ch</strong>eidung geben ohne Motiv, und es kann kein Motiv geben, wenn<br />
ni<strong>ch</strong>t Inhalte als unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> im Wert angesehen werden.“ (SPENCER BROWN 1997: 1)<br />
Eine Unters<strong>ch</strong>eidung zu treffen verlangt also zunä<strong>ch</strong>st na<strong>ch</strong> einem Motiv, an<strong>der</strong>nfalls gäbe<br />
es keinen Anlass, eine Unters<strong>ch</strong>eidung zu treffen. Eine Absi<strong>ch</strong>t zu haben setzt voraus, dass<br />
man wertet, und zu werten beruht auf einem Unters<strong>ch</strong>ied hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> eines Wertes. Das<br />
heißt, man erkennt einen Sinn darin, eine Unters<strong>ch</strong>eidung zu treffen. Ein Motiv setzt voraus,<br />
dass man s<strong>ch</strong>on einen gewissen Unters<strong>ch</strong>ied sieht. <strong>Die</strong> beiden Seiten, die die<br />
Unters<strong>ch</strong>eidung hervorbringt, haben ni<strong>ch</strong>t den glei<strong>ch</strong>en Wert. Bezogen auf einen Beoba<strong>ch</strong>ter<br />
heißt eine Unters<strong>ch</strong>eidung zu treffen immer: zu werten. Wenn aber ein Motiv für eine<br />
Unters<strong>ch</strong>eidung notwendig ist, und im Wert unters<strong>ch</strong>iedene Inhalte notwendig für ein Motiv<br />
sind, dann geht je<strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung notwendig eine an<strong>der</strong>e voraus. Damit kann jede<br />
Unter¬s<strong>ch</strong>eidung nur im Raum einer an<strong>der</strong>en (auf einer Seite <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en) getrof¬fen<br />
werden, und wir können niemals die erste Unters<strong>ch</strong>eidung treffen. <strong>Die</strong>s liefert uns ein erstes<br />
Indiz dafür, dass sie dur<strong>ch</strong> unsere Existenz als Beoba<strong>ch</strong>ter s<strong>ch</strong>on immer getroffen ist (vgl. im<br />
erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>en Teil das „unges<strong>ch</strong>riebene Kreuz“, S. 153).<br />
Über den Begriff des Motivs wird demna<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Begriff des Wertes eingeführt, <strong>der</strong><br />
wesentli<strong>ch</strong> für die Ableitung <strong>der</strong> Axiome ist. <strong>Die</strong> s<strong>ch</strong>on getroffene Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en<br />
Werten liefert das Motiv, eine Unter¬s<strong>ch</strong>eidung eben aufgrund <strong>der</strong> Setzung vers<strong>ch</strong>iedener<br />
Werte zu treffen. Und wenn wir eine Seite einer Unters<strong>ch</strong>eidung anzeigen, können wir einen<br />
Namen verwenden, mit dem wir den Wert des Inhaltes anzeigen.<br />
„Wenn ein Inhalt einen Wert hat, kann ein Name herangezogen werden, diesen Wert zu<br />
bezei<strong>ch</strong>nen [anzuzeigen; F. L.].“ (SPENCER BROWN 1997: 1)<br />
Das heißt au<strong>ch</strong>, dass jede Verwendung des Namens mit dem zugehörigen Wert identifiziert<br />
werden kann. Der Name wird verwendet, um den Wert anzuzeigen. O<strong>der</strong> umgekehrt: Der<br />
Name verweist auf eine Anzeige, diese auf eine Unters<strong>ch</strong>eidung und die Unters<strong>ch</strong>eidung auf<br />
einen Wert.<br />
„Somit kann das Nennen des Namens mit dem Wert des Inhalts identifiziert werden.“<br />
(SPENCER BROWN 1997: 1)<br />
Das heißt also, dass man einen Bezug herstellen kann zwis<strong>ch</strong>en dem Namen und dem Wert.<br />
Den Seiten o<strong>der</strong> Inhalten werden Werte zugeordnet und sie werden benannt. Wert und<br />
Name sind ni<strong>ch</strong>t identis<strong>ch</strong>, aber dieser Wert gehört zu dieser Seite und jener zu jener. Mit<br />
„Identifizieren“ ist nur oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gesehen ein Zuordnen gemeint. Das Nennen des<br />
Namens und <strong>der</strong> Wert des Inhalts sind ni<strong>ch</strong>t identis<strong>ch</strong>, son<strong>der</strong>n das Eine geht mit dem<br />
An<strong>der</strong>en einher. Der Zusammenhang ist ein an<strong>der</strong>er als beispielsweise <strong>der</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />
Wahrheitswerten und Aussagenvariablen, <strong>der</strong> ein Zuordnen im Wortsinne darstellt. Jedes<br />
Nennen des Namens ist die Markierung einer Unters<strong>ch</strong>eidung, also <strong>der</strong> markierte Wert o<strong>der</strong><br />
Zustand. Deshalb können sie miteinan<strong>der</strong> identifiziert werden.<br />
Mit einer Unters<strong>ch</strong>eidung ist eine Grenze gezogen. Das Treffen einer Unters<strong>ch</strong>eidung<br />
beinhaltet einerseits eine Anzeige <strong>der</strong> einen und ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, woher die<br />
Asymmetrie rührt, und an<strong>der</strong>erseits das Kreuzen einer Grenze, womit man auf die an<strong>der</strong>e<br />
Seite gelangt bzw. den Wert än<strong>der</strong>t. <strong>Die</strong> beiden folgenden Axiome „Gesetz des Nennens“<br />
und „Gesetz des Kreuzens“ greifen diese unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Handhabungen <strong>der</strong><br />
Unter¬s<strong>ch</strong>eidung auf und regeln, wie zu verfahren ist, wenn das Nennen o<strong>der</strong> Kreuzen<br />
wie<strong>der</strong>holt auftreten. Vom mathematis<strong>ch</strong>en Standpunkt ist dabei <strong>der</strong> Übergang von den<br />
Begriffen Unters<strong>ch</strong>eidung und Anzeige auf den Begriff des Wertes wesentli<strong>ch</strong>. In diesem<br />
vorbereitenden, begründenden Kapitel <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> wird no<strong>ch</strong> mit den Begriffen<br />
„angezeigt“ und „unangezeigt“ gearbeitet bzw. später (im Vollzug des Kalküls) wird mit<br />
„markiert“ und „unmarkiert“ operiert, und deshalb muss gewährleistet sein, dass das Nennen<br />
eines Namens und das Kreuzen einer Grenze mit den Werten <strong>der</strong> Seiten einer<br />
Unters<strong>ch</strong>eidung identifiziert werden können.<br />
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