Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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In <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Multiplikation erkennt man dieses „Muster“ im Raum s1, das heißt<br />
innerhalb <strong>der</strong> äußersten Markierung. <strong>Die</strong> erste (linke) <strong>der</strong> beiden Markierungen in s1 enthält<br />
a Markierungen, die zweite (re<strong>ch</strong>te) wird als r gesetzt, das heißt r hat die <strong>Form</strong> einer<br />
Markierung, die b nebenein¬an<strong>der</strong> stehende und keine weiteren Markierungen enthält. <strong>Die</strong><br />
„Überset¬zung“ <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Multiplikation mittels des zehnten Theorems sieht also<br />
zunä<strong>ch</strong>st so aus:<br />
a b =<br />
... r<br />
Mit unserem Spezialfall des Theorems 10 sehen wir, dass das r in jede <strong>der</strong> a Markierungen<br />
hineinpositioniert werden darf. Das heißt ganz konkret und ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>, dass b<br />
Markierungen a mal ges<strong>ch</strong>rieben werden müssen. Der Ausdruck hat nun au<strong>ch</strong> immer eine<br />
alles umfassende Markierung, die mit <strong>der</strong> äußersten Markierung aufgehoben werden kann,<br />
so dass tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> genau a • b Markierungen stehen bleiben.<br />
Während es sehr erlei<strong>ch</strong>ternd ist, gerade kompliziertere logis<strong>ch</strong>e Zusam¬menhänge<br />
„indikationslogis<strong>ch</strong>“ zu analysieren, ma<strong>ch</strong>t es wohl kaum einen Sinn, „indikationsnumeris<strong>ch</strong>“<br />
zu re<strong>ch</strong>nen. Das ist zum einen komplizierter und vor allem zum an<strong>der</strong>en gerade dann<br />
aufwendig, wenn größere Zahlen bere<strong>ch</strong>net werden sollen. Man muss am Ende ja alle<br />
Markierungen zählen. Insofern dient die Demonstration <strong>der</strong> Interpretation für Zahlen weniger<br />
als Beleg für die sinnvolle Anwendbarkeit <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>, als vielmehr als<br />
Verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>ung ihrer Tiefe und Mä<strong>ch</strong>tigkeit: Selbst die numeris<strong>ch</strong>e Mathematik lässt si<strong>ch</strong><br />
aus den Laws of <strong>Form</strong> ableiten.<br />
Wie au<strong>ch</strong> für die Interpretation für Logik findet man no<strong>ch</strong> erhebli<strong>ch</strong> mehr Beispiele, Sätze und<br />
Anwendungen in dem entspre<strong>ch</strong>enden Appendix in den Laws of <strong>Form</strong>. Beides konnte hier<br />
nur angedeutet werden – als erlei<strong>ch</strong>tern<strong>der</strong> Einstieg und als Motivation für eigene Studien.<br />
Ein großer Erfolg <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> ist ihre Anwendung zum Beweis des berühmten Vier-<br />
Farben-Theorems. Vor dem Beweis, den George Spencer Brown 1979 auf <strong>der</strong> Grundlage<br />
des Indikationenkalküls lieferte (siehe Appendix 5: „Two proofs of the four-colour map<br />
theorem“, in SPENCER BROWN 1997: 141-188), gab es ledigli<strong>ch</strong> einen mehrere tausend<br />
Seiten langen, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> auf Computerbere<strong>ch</strong>nungen stützt. <strong>Die</strong>s alles gibt Grund zur<br />
Annahme, dass weitere unbewiesene Sätze (nur) mit Hilfe sol<strong>ch</strong>er primärer Kalküle<br />
beweisbar sowie etli<strong>ch</strong>e Beweise mit ihnen eleganter, kürzer und einsi<strong>ch</strong>tiger zu führen sind.<br />
Wir fassen zusammen: <strong>Die</strong> Primäre Arithmetik unterliegt ni<strong>ch</strong>t den Bes<strong>ch</strong>ränkungen, die<br />
Boole seiner Algebra auferlegte und wel<strong>ch</strong>e logis<strong>ch</strong>er Natur sind. <strong>Die</strong> Primäre Algebra kann<br />
zum Beispiel als Booles<strong>ch</strong>e Algebra o<strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>e Logik interpretiert werden. Dur<strong>ch</strong> den<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Ansatz und <strong>der</strong> daraus resultierenden unters<strong>ch</strong>iedenen<br />
<strong>Form</strong>alisierung kann man jedo<strong>ch</strong> nur auf Basis <strong>der</strong> Primären Algebra erkennen und<br />
darstellen, dass George Boole nur Glei<strong>ch</strong>ungen ersten Grades zulassen konnte,<br />
während George Spencer Brown au<strong>ch</strong> Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades, die<br />
selbstbezügli<strong>ch</strong> sein können, formal bearbeiten kann. Nun wird <strong>der</strong> Blick für<br />
<strong>Paradoxie</strong>n frei. Und man erkennt die <strong>Paradoxie</strong> als eine notwendig mögli<strong>ch</strong>e <strong>Form</strong>,<br />
die si<strong>ch</strong> ganz natürli<strong>ch</strong> und ohne „äußere“ Eingriffe ergibt, und die si<strong>ch</strong> wie jede<br />
an<strong>der</strong>e <strong>Form</strong> formal darstellen lässt. Es gibt keinen Anlass mehr, sie vermeiden zu<br />
wollen. Wenn man eine Unters<strong>ch</strong>eidung auf bestimmte Art und Weise in sie selbst<br />
einführt, hat man es mit einer <strong>Paradoxie</strong> zu tun. Eine <strong>der</strong> berühmtesten und<br />
wissens<strong>ch</strong>aftshistoris<strong>ch</strong> relevantesten – aber vor George Spencer Browns Entdeckung ni<strong>ch</strong>t<br />
als sol<strong>ch</strong>e erkannte – wird im folgenden Kapitel dargestellt.<br />
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