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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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2. Von Existenz zu Leere<br />

Na<strong>ch</strong>dem <strong>der</strong> erste Abs<strong>ch</strong>nitt dieses erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>en Teils den Prozess <strong>der</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>tung und den Beoba<strong>ch</strong>ter thematisierte, handelt dieser zweite Abs<strong>ch</strong>nitt von <strong>der</strong><br />

Realität, die einem Beoba<strong>ch</strong>ter ers<strong>ch</strong>eint. Dabei geht es ni<strong>ch</strong>t darum zu skizzieren, wie eine<br />

Welt ohne Beoba<strong>ch</strong>ter aussehen könnte (von einer sol<strong>ch</strong>en Vorstellung soll hier ja ganz im<br />

Gegenteil Abstand genommen werden), son<strong>der</strong>n zunä<strong>ch</strong>st um die Begriffe Existenz und<br />

Wahrheit und ans<strong>ch</strong>ließend darum, wie sie im Sinne einer Differenz¬theorie und einer<br />

Theorie, die vom Beoba<strong>ch</strong>ter ausgeht, verstanden werden können.<br />

Das folgende Zitat dient als Leitfaden für diesen Abs<strong>ch</strong>nitt:<br />

„Wir müssen, um die Welt klar zu erfahren, Existenz auf Wahrheit reduzieren, Wahrheit<br />

auf Bezei<strong>ch</strong>nung [Anzeige; F. L.], Bezei<strong>ch</strong>nung auf <strong>Form</strong> und <strong>Form</strong> auf die Leere.“<br />

(SPENCER BROWN 1997: 88)<br />

Im Folgenden sollen diese S<strong>ch</strong>ritte na<strong>ch</strong>vollzogen werden. Zusammen¬fassend: Mit Existenz<br />

wird auf das Bezug genommen, was ist, was ein Beoba<strong>ch</strong>ter von Augenblick zu Augenblick<br />

erlebt. Wahrheit bezieht si<strong>ch</strong> auf Aussagen über Existenz. <strong>Die</strong> Aussagen, die man wahr<br />

nennt, hängen vom Standpunkt ab, von den Unters<strong>ch</strong>eidungen und den Werten, die man mit<br />

ihnen verknüpft. Je<strong>der</strong> Standpunkt, jede Unters<strong>ch</strong>eidung ist eine <strong>Form</strong>, die au<strong>ch</strong> immer<br />

an<strong>der</strong>s mögli<strong>ch</strong> ist. <strong>Form</strong> entsteht mit Leere und Leere mit <strong>Form</strong>. <strong>Die</strong>s ist die erste bzw. letzte<br />

<strong>Form</strong>.<br />

Zeit und Raum<br />

<strong>Die</strong> Vorstellungen von Zeit und Raum sind eng mit den Begriffen <strong>der</strong> Realität und <strong>der</strong><br />

Existenz verknüpft. Das Beoba<strong>ch</strong>ten und Erleben von Welt ges<strong>ch</strong>ieht ni<strong>ch</strong>t getrennt von<br />

Raum und Zeit. Deshalb wird eine Erörterung ihrer „Entstehung“ im Li<strong>ch</strong>te des<br />

Indikationenkalküls vorangestellt.<br />

Übli<strong>ch</strong>erweise geht man davon aus, dass alles, was existiert, in Raum und Zeit bzw. in <strong>der</strong><br />

Raum-Zeit existiert und dass die Beoba<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong> Existenzen unabhängig von Raum und<br />

Zeit ges<strong>ch</strong>ieht. Als wären Raum und Zeit gegebene Voraussetzungen für Beoba<strong>ch</strong>tung. <strong>Die</strong><br />

differenztheoretis<strong>ch</strong>e Konzeption ermögli<strong>ch</strong>t dagegen eine Bes<strong>ch</strong>reibung, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Zeit und<br />

Raum Produkte <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung von Welt sind. Wenn etwas beoba<strong>ch</strong>tet wird, muss es<br />

an<strong>der</strong>s ers<strong>ch</strong>einen als an<strong>der</strong>es. <strong>Die</strong>ses An<strong>der</strong>ssein kann si<strong>ch</strong> verän<strong>der</strong>n (Zeit) und verän<strong>der</strong>t<br />

si<strong>ch</strong> in einem erkennbaren Raum.<br />

<strong>Die</strong> Welt enthält we<strong>der</strong> diese no<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e Unters<strong>ch</strong>eidungen. Am Anfang <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong><br />

definiert George Spencer Brown „Zustände“, ohne dass er auf Konzepte wie Distanz, Größe<br />

o<strong>der</strong> Dauer etc. zurück¬greifen müsste. Das einzige Konzept, das er einführt, ist das des<br />

Unter¬s<strong>ch</strong>iedes. An<strong>der</strong>e Qualitäten sind ni<strong>ch</strong>t notwendig, um alle Qualitäten zu erhalten.<br />

Raum und Zeit sind Ers<strong>ch</strong>einungen bzw. <strong>Form</strong>en von o<strong>der</strong> für Ers<strong>ch</strong>ei¬nungen. Au<strong>ch</strong> sie<br />

sind, was ers<strong>ch</strong>iene, wenn eine Unters<strong>ch</strong>eidung getroffen würde. In den Laws of <strong>Form</strong> wird<br />

anfängli<strong>ch</strong> kein Konzept eines sol<strong>ch</strong>en Raumes (in dem „Dinge“, das heißt Gegenstände,<br />

Lebewesen etc. vorkommen können) verwendet. Was dort „Raum“ genannt wird, ist die Seite<br />

einer Unters<strong>ch</strong>eidung und impliziert für die Darstellung s<strong>ch</strong>on eine mehrdimensionale<br />

physikalis<strong>ch</strong>e Raumvorstellung. Aber als mathe-matis<strong>ch</strong>es Konzept trägt „Raum“ ledigli<strong>ch</strong> die<br />

Qualität, Zustände vonein¬an<strong>der</strong> zu trennen. Ebenso ist Zeit, was wäre, wenn eine<br />

Oszillation zwis<strong>ch</strong>en Zuständen stattfinden könnte. Das Maß <strong>der</strong> Zeit ist <strong>der</strong> We<strong>ch</strong>sel, die<br />

Verän<strong>der</strong>ung. <strong>Die</strong> einzige Verän<strong>der</strong>ung, die wir mit zwei unters<strong>ch</strong>ied¬li<strong>ch</strong>en Zuständen<br />

bewirken können, ist das We<strong>ch</strong>seln von einem Zustand o<strong>der</strong> Raum in den an<strong>der</strong>en. <strong>Die</strong>se<br />

Zeit ist die einfa<strong>ch</strong>ste denkbare Zeit, da die Oszillation zwis<strong>ch</strong>en den Zuständen keine Dauer<br />

hat.<br />

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