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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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Zur Rezeptionsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong><br />

<strong>Die</strong> erste Bespre<strong>ch</strong>ung <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> ers<strong>ch</strong>ien im Frühjahr 1969 im Whole Earth<br />

Catalogue und wurde von Heinz von Foerster verfasst. Seine Begeisterung, die si<strong>ch</strong> in einer<br />

euphoris<strong>ch</strong>en Rezension nie<strong>der</strong>s<strong>ch</strong>lug, war Auslöser für eine <strong>der</strong> berühmt gewordenen<br />

Konferenzen <strong>der</strong> American University of Masters in Esalen. Im März 1973 nahm ni<strong>ch</strong>t nur<br />

Heinz von Foerster selbst an einem einwö<strong>ch</strong>igen Seminar unter Führung von George<br />

Spencer Brown teil, son<strong>der</strong>n unter an<strong>der</strong>em au<strong>ch</strong> Kurt von Meier, Cliff Barney, Gregory<br />

Bateson, Alan Watts, John Lilly, Douglas Kelly und Karl Pribram.<br />

Obwohl <strong>der</strong> Indikationenkalkül <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> einige Jahre für Aufsehen sorgte,<br />

ents<strong>ch</strong>wand er do<strong>ch</strong> zumindest aus dem mathematis<strong>ch</strong>en Blickfeld. Erst die<br />

Wie<strong>der</strong>entdeckung dur<strong>ch</strong> Niklas Luhmann Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre, die au<strong>ch</strong> die Konzeption<br />

<strong>der</strong> Systemtheorie mit <strong>der</strong> Veröffent¬li<strong>ch</strong>ung von Soziale Systeme (1984) maßgebli<strong>ch</strong><br />

verän<strong>der</strong>te, bra<strong>ch</strong>te die Laws of <strong>Form</strong> in den Rang eines Standardwerkes.<br />

Niklas Luhmann ist, wie erwähnt, <strong>der</strong> prominenteste Anwen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Verwen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Laws of<br />

<strong>Form</strong>. Zumindest betont er in allen umfang¬rei<strong>ch</strong>eren Texten, dass im Zentrum seiner<br />

differenztheoretis<strong>ch</strong>en System¬theorie <strong>der</strong> „Kalkül des Unters<strong>ch</strong>eidens und Bezei<strong>ch</strong>nens“<br />

stehe. Ausgangspunkt des Exkurses in die Systemtheorie von Niklas Luhmann am Anfang<br />

des dritten Teiles des vorliegenden Textes ist die Annahme, dass <strong>der</strong> Systemtheorie eine<br />

<strong>Form</strong>theorie zu Grunde liegt. Dort gehen wir den Fragen na<strong>ch</strong>, wie Niklas Luhmann die Laws<br />

of <strong>Form</strong> gebrau<strong>ch</strong>t und warum. <strong>Die</strong>ser Text soll diesbezügli<strong>ch</strong> aufzeigen, wie eng die<br />

Luhmanns<strong>ch</strong>e Systemtheorie mit den Erkenntnissen des Indikationenkalküls<br />

zusammen¬hängt. Wie Niklas Luhmann stets hervorhebt, hat er seinen<br />

differenz¬theoretis<strong>ch</strong>en Ansatz den Laws of <strong>Form</strong> entnommen. Er übernimmt den<br />

Indikationenkalkül aber ni<strong>ch</strong>t in einem mathematis<strong>ch</strong>en Sinne in seine soziologis<strong>ch</strong>e Theorie<br />

und befasst si<strong>ch</strong> allenfalls am Rande mit <strong>der</strong> impliziten Erkenntnistheorie. Beides hat er als<br />

Soziologe ni<strong>ch</strong>t im Sinn. Er verwendet ihn vielmehr als Logik des Unters<strong>ch</strong>eidens für seine<br />

funktio¬nalen Analysen gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Prozesse und Ereignisse. Das Differenz¬s<strong>ch</strong>ema<br />

ist die seinen Ausführungen zu Grunde liegende konzeptionelle Struktur, mit <strong>der</strong> er<br />

differenztheoretis<strong>ch</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft beoba<strong>ch</strong>tet. Aber ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tungs- und<br />

<strong>Form</strong>begriff können fru<strong>ch</strong>tbar gema<strong>ch</strong>t werden, au<strong>ch</strong> die Figur des re-entries, die die<br />

Platzierung einer Unter-s<strong>ch</strong>eidung auf einer <strong>der</strong> Seiten <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung bes<strong>ch</strong>reibt, und<br />

die damit zusammenhängende Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong> verleihen Luhmanns<br />

Systemtheorie die nötige und Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit berücksi<strong>ch</strong>tigende Komplexität, um<br />

spezifis<strong>ch</strong>e Beoba<strong>ch</strong>tungen und Beoba<strong>ch</strong>tung selbst angemessen bes<strong>ch</strong>reiben zu können.<br />

Als Sekundärliteratur zu den Laws of <strong>Form</strong> sind aus dem systemtheo¬retis<strong>ch</strong>en<br />

Zusammenhang – ausgenommen die zahlrei<strong>ch</strong>en Anmerkungen und Erläuterungen in den<br />

Texten von Niklas Luhmann – die beiden Aufsatzsammlungen hervorgegangen, die Dirk<br />

Baecker 1993 veröffentli<strong>ch</strong>t hat (Kalkül <strong>der</strong> <strong>Form</strong> und Probleme <strong>der</strong> <strong>Form</strong>). Sie beinhalten<br />

fa<strong>ch</strong>¬spezifis<strong>ch</strong>e Interpretationen des Kalküls bzw. Anwendungen für die Soziologie. So hat<br />

beispielsweise Fritz B. Simon den Kalkül für die systemis<strong>ch</strong>e Therapie fru<strong>ch</strong>tbar gema<strong>ch</strong>t.<br />

Neben diesem gelten Matthias Varga von Kibéd und au<strong>ch</strong> Francisco J. Varela, <strong>der</strong> in<br />

Anlehnung an den (und dann natürli<strong>ch</strong> in Abgrenzung vom) Indikationenkalkül einen eigenen<br />

dreiwertigen Kalkül entwickelte, als ausgespro<strong>ch</strong>ene Kenner <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>. Zudem gibt<br />

es no<strong>ch</strong> die Aufsätze in <strong>Die</strong> Logik <strong>der</strong> Systeme, heraus¬gegeben von Peter-Ulri<strong>ch</strong> Merz-<br />

Benz und Gerhard Wagner, die si<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong> mit Niklas Luhmanns Verwendung <strong>der</strong> Laws of<br />

<strong>Form</strong> auseinan<strong>der</strong> setzen. Erst kürzli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ien von Holm von Egidy Beoba<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong><br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit, das einen Verglei<strong>ch</strong> von Differenztheorie mit zwei buddhis¬tis<strong>ch</strong>en Weisheiten<br />

zum Thema hat. Im November 2004 ers<strong>ch</strong>ien das erste Einführungsbu<strong>ch</strong> in die Laws of<br />

<strong>Form</strong> von S<strong>ch</strong>önwäl<strong>der</strong>, Wille und Höls<strong>ch</strong>er sowie im Februar 2005 ein knapper und<br />

lesenswerter einfüh¬ren<strong>der</strong> Beitrag von Louis Kauffmann in dem treffend betitelten, von Dirk<br />

Baecker herausgegebenen Band S<strong>ch</strong>lüsselwerke <strong>der</strong> Systemtheorie.<br />

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