Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
2. Imaginärer Wert und komplexe Zahlen<br />
Es wurde oben s<strong>ch</strong>on auf den Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Booles<strong>ch</strong>er und Browns<strong>ch</strong>er Algebra<br />
eingegangen. <strong>Die</strong>ser führte zur Si<strong>ch</strong>tbarkeit von Glei<strong>ch</strong>ungen höheren Grades, o<strong>der</strong> mit<br />
an<strong>der</strong>en Worten: <strong>Die</strong> Primäre o<strong>der</strong> Browns<strong>ch</strong>e Arithmetik erlaubt,„komplexe Werte in <strong>der</strong><br />
Algebra zu verwenden. <strong>Die</strong>se sind Analogien zu den komplexen Zahlen in <strong>der</strong> gewöhnli<strong>ch</strong>en<br />
(numeris<strong>ch</strong>en) Algebra.“ (SPENCER BROWN 1997: XXI)<br />
<strong>Die</strong>ser Zusammenhang mag zunä<strong>ch</strong>st überras<strong>ch</strong>en, erweist si<strong>ch</strong> aber als sehr nützli<strong>ch</strong>, die<br />
<strong>Form</strong> <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong> zu präzisieren.<br />
Ausgangspunkt <strong>der</strong> Überlegungen ist folgen<strong>der</strong>: Bestimmte quadratis<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>ungen sind<br />
in <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> reellen Zahlen ni<strong>ch</strong>t lösbar, da das Quadrat einer reellen Zahl ni<strong>ch</strong>t negativ<br />
sein kann. Dur<strong>ch</strong> die Erweiterung des Zahlraumes auf die Menge <strong>der</strong> komplexen Zahlen, die<br />
auf <strong>der</strong> Einfüh¬rung <strong>der</strong> imaginären Einheit i beruht, kann man au<strong>ch</strong> diesen Glei<strong>ch</strong>ungen<br />
Lösungen zuordnen. <strong>Die</strong>se sind aber keine Zahlen im herkömmli<strong>ch</strong>en Sinne mehr. Mit <strong>der</strong><br />
übli<strong>ch</strong>en räumli<strong>ch</strong>en Verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>ung <strong>der</strong> kom¬plexen Zahlen (als Koordinatenkreuz)<br />
gelangt man vielmehr zu <strong>der</strong> Ansi<strong>ch</strong>t, dass <strong>der</strong> Zahlenstrahl <strong>der</strong> reellen Zahlen einen<br />
winzigen Auss<strong>ch</strong>nitt <strong>der</strong> komplexen Zahlen darstellt.<br />
In <strong>der</strong> numeris<strong>ch</strong>en gewöhnli<strong>ch</strong>en Algebra werden diese „komplexen Werte“, das heißt<br />
imaginäre Zahlen, ganz selbstverständli<strong>ch</strong> gebrau<strong>ch</strong>t, vor allem aufgrund ihres<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lagenden Erfolges – sowohl innerhalb <strong>der</strong> Mathematik als Element des<br />
Theoriegebäudes als au<strong>ch</strong> in ihren Anwen¬dungen wie beispielsweise in <strong>der</strong> Theorie des<br />
Elektromagnetismus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Phasentheorie in <strong>der</strong> Elektrizitätslehre. Weil ihre Struktur und<br />
daraufhin ihre Verbindung zu <strong>Paradoxie</strong>n bisher ni<strong>ch</strong>t erkannt wurden, konnten theoretis<strong>ch</strong>e<br />
und praktis<strong>ch</strong>e Mathematiker die imaginäre Einheit viel lei<strong>ch</strong>ter als Werkzeug akzeptieren als<br />
einen imaginären Wert, <strong>der</strong> den logis<strong>ch</strong>en Grundannahmen wi<strong>der</strong>spra<strong>ch</strong>. Au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />
ist im Grunde unklar, was komplexe Zahlen sind, und bisweilen führt ihre Unerklärbar¬keit zu<br />
Ablehnung selbst unter Mathematikern. <strong>Die</strong> Unfähigkeit, diese Struktur angemessen<br />
bes<strong>ch</strong>reiben zu können, rührt jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus <strong>der</strong> Sa<strong>ch</strong>e selbst, son<strong>der</strong>n hat ihre Ursa<strong>ch</strong>e<br />
darin, dass eben <strong>der</strong> Zusammenhang zu <strong>Paradoxie</strong>n und ihrer speziellen <strong>Form</strong> bisher ni<strong>ch</strong>t<br />
erkannt und bes<strong>ch</strong>rie¬ben wurde.<br />
Im Folgenden wird angedeutet, inwiefern wir die imaginäre Einheit als zwar imaginäre, aber<br />
praktis<strong>ch</strong>e Lösung einer „paradoxen Glei<strong>ch</strong>ung“ begreifen können. Wie wir gesehen haben,<br />
gibt es unter den Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades zwei vers<strong>ch</strong>iedene Typen: die<br />
Gedä<strong>ch</strong>tnisfunktion, die entwe<strong>der</strong> den markierten o<strong>der</strong> den unmarkierten Zustand<br />
hervorbringt, und die Oszillatorfunktion, wel<strong>ch</strong>e den imaginären Wert zur Lösung hat. Um<br />
das Argument mögli<strong>ch</strong>st ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> vortragen zu können, identifizieren wir sie mit den<br />
speziellen quadratis<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>ungen<br />
a: x2 = 1 und b: x2 = – 1,<br />
wobei a und b ledigli<strong>ch</strong> die Namen <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>ungen sind. Dur<strong>ch</strong> Division je bei<strong>der</strong> Seiten<br />
dur<strong>ch</strong> x erhalten wir<br />
a: x = 1/x und b: x = -1/x.<br />
Da die Glei<strong>ch</strong>ungen numeris<strong>ch</strong> ausgewogen sein müssen, kommen als Lösungen nur die<br />
Einheiten (+1 und –1) in Betra<strong>ch</strong>t, denn an<strong>der</strong>nfalls wäre immer eine Seite <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>ung<br />
größer und die an<strong>der</strong>e kleiner als eins. Glei<strong>ch</strong>ung a bereitet uns keine Probleme, denn<br />
setzen wir auf einer ihrer Seiten eine <strong>der</strong> Einheiten für x ein, bestätigt die an<strong>der</strong>e Seite den<br />
gewählten Wert. In <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>ung b, die wir mit <strong>der</strong> Oszillatorfunktion identifizieren, kommen<br />
wir auf diese Weise zu keinem Ergebnis, wie si<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Ausprobieren herausfinden<br />
lässt. Deshalb wurde <strong>der</strong> imaginäre Wert i, <strong>der</strong> die Wurzel aus –1 symbolisiert, in die<br />
Glei<strong>ch</strong>ungstheorie eingeführt. Setzt man auf <strong>der</strong> einen Seite +1 ein, ergibt si<strong>ch</strong> auf <strong>der</strong><br />
76