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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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Beoba<strong>ch</strong>ter als gewiss voraus: Aus dem Eindruck einer objektiven Wirkli<strong>ch</strong>keit können wir<br />

ni<strong>ch</strong>t zwingend s<strong>ch</strong>ließen, dass die Welt unabhängig vom Beoba<strong>ch</strong>ter ist. Das hieße, dass<br />

die Welt fest stünde, wie sie halt ist, und <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter offen wäre, empfängli<strong>ch</strong> für die<br />

Eindrücke von „außen“, die er mehr o<strong>der</strong> weniger genau wahrnimmt. Es ist aber au<strong>ch</strong><br />

umgekehrt denkbar, dass die Welt offen ist für Unters<strong>ch</strong>ei¬dungen, die ein Beoba<strong>ch</strong>ter an sie<br />

anlegt. Dann wäre <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter <strong>der</strong> feste Aspekt, indem er keine Wahl hätte, kein<br />

Bewusstsein über die Unter¬s<strong>ch</strong>eidungen, die er unentwegt trifft. Und au<strong>ch</strong> in diesem Fall<br />

s<strong>ch</strong>iene die Welt unabhängig zu sein von <strong>der</strong> Art und Weise, wie sie behandelt wird. Denn<br />

man würde ni<strong>ch</strong>t wissen, woher es kommt, dass die Welt ist, wie sie ist, bzw. warum man sie<br />

so und ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>s erlebt. Wäre es in dem einen o<strong>der</strong> dem an<strong>der</strong>en Fall mögli<strong>ch</strong>, dass ein<br />

Beoba<strong>ch</strong>ter erkennt, dass er die Unters<strong>ch</strong>eidungen, die er in seiner Welt wie<strong>der</strong>findet, selbst<br />

trifft?<br />

<strong>Die</strong> folgenden erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>en Ausführungen laufen auf die These hinaus, dass<br />

we<strong>der</strong> das eine no<strong>ch</strong> das an<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Fall ist. Wir werden das mit dem Begriff <strong>der</strong><br />

„konditionierten Koproduktion“ bes<strong>ch</strong>reiben, demzufolge Welt und Beoba<strong>ch</strong>ter<br />

„koevoluieren“. Demna<strong>ch</strong> geht keines dem an<strong>der</strong>en voraus bzw. sind we<strong>der</strong> Welt no<strong>ch</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>ter „fest“. Hier wird die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Welt und Beoba<strong>ch</strong>ter vielmehr<br />

unter¬wan<strong>der</strong>t und <strong>der</strong> Blick ges<strong>ch</strong>ärft für die Trivialität, dass eine Welt einem Beoba<strong>ch</strong>ter<br />

ganz genau gemäß seinen Unters<strong>ch</strong>eidungen, seinem (Be-wusst-)Sein ers<strong>ch</strong>eint, und seine<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> Welt abhängen.<br />

Um diese These darzustellen, ist das Kapitel in drei Abs<strong>ch</strong>nitte unterteilt. Es hat die <strong>Form</strong> <strong>der</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>¬tetem. So beinhaltet <strong>der</strong> erste Abs<strong>ch</strong>nitt<br />

eine Vertiefung des Begriffes des Beoba<strong>ch</strong>ters, <strong>der</strong> zweite eine Bes<strong>ch</strong>reibung von Welt und<br />

<strong>der</strong> dritte die Zurückführung bei<strong>der</strong> auf eine Einheit.<br />

Der erste Abs<strong>ch</strong>nitt III. 1. „Beoba<strong>ch</strong>tungen des Beoba<strong>ch</strong>ters“ beinhaltet weiterführende<br />

Ausführungen zu den Begriffen <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung und des Beoba<strong>ch</strong>ters. <strong>Die</strong> dort vertretene<br />

These kann verdi<strong>ch</strong>tet werden zu <strong>der</strong> Aussage, dass Erkenntnis immer Erkenntnis von<br />

jemandem über etwas ist. Aus <strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> lässt si<strong>ch</strong> das folgen<strong>der</strong>maßen<br />

reformu¬lieren: <strong>Die</strong> in ihnen dargestellten Gesetze sind ni<strong>ch</strong>ts dem Beoba<strong>ch</strong>ter Äußeres in<br />

dem Sinne, dass <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter ihnen unterworfen wäre. Vielmehr sind es seine eigenen<br />

Gesetze, die eben mit seinem Bewusstsein und seinem Verlangen zu unters<strong>ch</strong>eiden<br />

einhergehen. <strong>Die</strong> Gesetze folgen aus dem Treffen einer Unters<strong>ch</strong>eidung: Es sind ni<strong>ch</strong>t nur<br />

die Gesetze <strong>der</strong> <strong>Form</strong>, son<strong>der</strong>n damit eben au<strong>ch</strong> die Gesetze des Beoba<strong>ch</strong>ters.<br />

Der zweite Abs<strong>ch</strong>nitt III. 2. „Von Existenz zu Leere“ thematisiert, was <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter mit<br />

o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> seine Beoba<strong>ch</strong>tung konstruiert. Es geht vorrangig um die Begriffe Existenz und<br />

Wahrheit und ihren Zusammen¬hang mit dem <strong>Form</strong>begriff. Es ist ni<strong>ch</strong>t das Anliegen, die<br />

„Wahrheit“ über die Welt zu verkünden, denn Wahrheit hängt eben ni<strong>ch</strong>t mit Verkündbar¬keit<br />

zusammen (siehe „<strong>Die</strong> Methode von Befehl und Betra<strong>ch</strong>tung“ in <strong>der</strong> Einleitung, S. 23ff.),<br />

son<strong>der</strong>n einen Vors<strong>ch</strong>lag <strong>der</strong> Weltbes<strong>ch</strong>reibung zu wie<strong>der</strong>holen, <strong>der</strong> besagt, dass die Welt<br />

an und für si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts ist und nur einem Beoba<strong>ch</strong>ter entspre<strong>ch</strong>end seinen Unters<strong>ch</strong>eidungen<br />

ers<strong>ch</strong>eint. So, wie Welt ers<strong>ch</strong>eint, ist sie wahr – sie ist ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>s als das, was jemand<br />

erlebt.<br />

Im dritten Abs<strong>ch</strong>nitt III. 3. „Das Entstehen von Universen“ wird die Einheit von Beoba<strong>ch</strong>ter<br />

und Beoba<strong>ch</strong>tetem reflektiert. <strong>Die</strong> zentralen Frage¬stellungen sind, wel<strong>ch</strong>e<br />

erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>en Implikationen mit <strong>der</strong> Erkenntnis verbunden sind, dass au<strong>ch</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>ter/Beoba<strong>ch</strong>tetes eine <strong>Form</strong> darstellt. Was lässt si<strong>ch</strong> dann no<strong>ch</strong> mit Gewissheit über<br />

Welt sagen? Wie gelangt, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Form</strong>ulierung von George Spencer Brown, ein<br />

Univer¬sum ins Dasein? Zur Annäherung an Antworten auf sol<strong>ch</strong>e Fragen wird neben dem<br />

Prinzip <strong>der</strong> konditionierten Koproduktion au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> „nullte Kanon“ und die Idee <strong>der</strong> selektiven<br />

Blindheit dargestellt. <strong>Die</strong> letzten drei Abs<strong>ch</strong>nitte beinhalten daoistis<strong>ch</strong>e und buddhistis<strong>ch</strong>e<br />

Ans<strong>ch</strong>auungen, <strong>der</strong>en Ausführung die hier dargestellte Erkenntnistheorie vertiefen und<br />

abrunden.<br />

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