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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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‚Kontingenzabwehr’ (i.e. wissens<strong>ch</strong>aftsspezifis<strong>ch</strong>er Limitationalität) unterzogen o<strong>der</strong> gar<br />

unter¬worfen zu werden. Ob Psy<strong>ch</strong>ologie, Soziologie, Quantenphysik – <strong>der</strong> Kobold des<br />

Beoba<strong>ch</strong>ters sitzt irgendwie im System und läßt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t finden, er ist drin, und er ist ni<strong>ch</strong>t<br />

drin. Er wird unters<strong>ch</strong>ieden, aber vers<strong>ch</strong>windet mit je<strong>der</strong> Markierung, die ihn unters<strong>ch</strong>eidet.<br />

Er ist so etwas wie ein ‚Realphantasma’, das in jede Beoba<strong>ch</strong>tungsoperation hinein- und<br />

damit gewissermaßen hinauskalkuliert wird. Niemand, <strong>der</strong> das Ges<strong>ch</strong>äft des Denkens<br />

ernsthaft betreibt, kommt um die Virulenz (in jedem Sinne dieses Wortes) dieses<br />

observatoris<strong>ch</strong>en deus ex ma<strong>ch</strong>ina herum, <strong>der</strong> dann man<strong>ch</strong>en (ontologis<strong>ch</strong> gesonnenen)<br />

Beoba<strong>ch</strong>tern ‚most tricky’ ers<strong>ch</strong>eint, als (mitunter brillante) Inszenierung eines<br />

epistemologis<strong>ch</strong>en ‚thrilling effect’, eines McGuffins, <strong>der</strong> in den bizarren Ho<strong>ch</strong>abstraktionen<br />

si<strong>ch</strong> als universal gerieren<strong>der</strong> Großtheorien und ihrer Rhethorik residiert.<br />

Seit langem geht nun ein Geraune (heute s<strong>ch</strong>on: ein Lärm) um in den eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

Wissens<strong>ch</strong>aften (insbeson<strong>der</strong>e aber in <strong>der</strong> systemtheoretis<strong>ch</strong> inspirierten Soziologie), daß<br />

ein Wissens<strong>ch</strong>aftsaußenseiter, <strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>e Fall eines Originalgenies, George Spencer<br />

Brown, eine Methode, einen Kalkül entwickelt habe, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Lage sei, si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> neuartigen<br />

Situation einer beoba<strong>ch</strong>tungsabhängigen Welt anzus<strong>ch</strong>miegen. Viele beziehen si<strong>ch</strong><br />

mittlerweile auf die Laws of <strong>Form</strong>, auf die Gesetze <strong>der</strong> <strong>Form</strong>, wobei si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>aus <strong>der</strong><br />

Eindruck einstellt, daß diese Bezüge ‚Rosinen-pickende’ Bezüge sind: Ausgewählt wird, was<br />

paßt; ausgeblendet wird <strong>der</strong> ‚Apparatus’ <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>, vor allem au<strong>ch</strong> die<br />

mathematis<strong>ch</strong>-logis<strong>ch</strong>e Komplexität, die erst im (Komplett)Dur<strong>ch</strong>gang dur<strong>ch</strong> den Kalkül ihre<br />

Mä<strong>ch</strong>tigkeit erweisen könnte.<br />

Das Dauerbombardement, dem man mit Ausdrücken wie re-entry, distinction, indication,<br />

unmarked space, empty space, Kanon Null etc. ausgesetzt wird, ist mehrfa<strong>ch</strong> fatal: Es<br />

stumpft ab, es läßt ni<strong>ch</strong>t selten dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ließen auf mangelnde Kenntnis <strong>der</strong> operativen<br />

Grundlagen <strong>der</strong> Laws, und: <strong>Die</strong>se Begriffe werden auf Teufelkommraus auf beliebige<br />

Gegenstände angewandt. Sie mutieren zum Jargon, ni<strong>ch</strong>t zu dem <strong>der</strong> Eigentli<strong>ch</strong>keit, son<strong>der</strong>n<br />

zu dem einer Uneigentli<strong>ch</strong>keit, den jede akade-mis<strong>ch</strong>e Redli<strong>ch</strong>keit zu Re<strong>ch</strong>t verabs<strong>ch</strong>eut.<br />

<strong>Die</strong> Ursa<strong>ch</strong>e für diese Entwicklung liegt ni<strong>ch</strong>t darin, daß Spencer Brown fals<strong>ch</strong>, aber seltsam<br />

ans<strong>ch</strong>lußfähig geda<strong>ch</strong>t hat. I<strong>ch</strong> zumindest habe ni<strong>ch</strong>t den mindesten Zweifel an <strong>der</strong><br />

Bedeutung seines Werkes. Meine Vermutung geht dahin, daß si<strong>ch</strong> die Mathematik, die Logik<br />

des Kalküls auf Grund ihrer <strong>Form</strong>alität ni<strong>ch</strong>t formal denkenden Wissens<strong>ch</strong>aftlern und<br />

Intellektuellen entzieht, daß sie abs<strong>ch</strong>reckt und deswegen zur flü<strong>ch</strong>tigen Rezeption verleitet<br />

und dann viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> zu flü<strong>ch</strong>tigen (modis<strong>ch</strong>en) S<strong>ch</strong>lu߬folgerungen. Mir s<strong>ch</strong>eint, daß<br />

bislang ein Brückens<strong>ch</strong>lag gefehlt hat, <strong>der</strong> einfa<strong>ch</strong>e Versu<strong>ch</strong>, den Kalkül – ohne seine<br />

Komplexität aufzugeben – denjenigen zu vermitteln, für die Mathematik (Logik<br />

einges<strong>ch</strong>lossen) eine vage S<strong>ch</strong>ulerinnerung ist.<br />

Unter diesen Voraussetzungen begegnete i<strong>ch</strong> vor Jahren dem jungen Hamburger<br />

Mathematiker Felix Lau, <strong>der</strong> genau an diesem Projekt arbeitete, eine kurze (klare, aber ni<strong>ch</strong>t<br />

unterkomplexe) Einführung in die Laws of <strong>Form</strong> zu entwickeln. I<strong>ch</strong> habe ihn dazu ermutigt,<br />

diese Arbeit weiter¬zutreiben, au<strong>ch</strong> dazu, sie auszustatten mit Verweisen auf das, was<br />

mittler¬weile etwa in <strong>der</strong> Systemtheorie mit Spencer Brown passiert ist, ferner mit Hinweisen<br />

darauf, daß das Werk dieses Denkers weltbildbedeutsame Konsequenzen hat, die ni<strong>ch</strong>t<br />

ignorabel sind. Und nun ist es glückli<strong>ch</strong>er¬weise dazu gekommen, daß das Bu<strong>ch</strong>, das dabei<br />

entstanden ist, publiziert wird. I<strong>ch</strong> freue mi<strong>ch</strong> sehr darüber und wiege mi<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Hoffnung,<br />

daß diejenigen, die kundig werden wollen in den Gesetzen <strong>der</strong> <strong>Form</strong>, nun über eine Brücke<br />

gehen können, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong>en Übers<strong>ch</strong>reiten die Originaltexte Spencer Browns ein ganz<br />

an<strong>der</strong>es Feuerwerk aufsprühen lassen, als es die matten Li<strong>ch</strong>ter sind, die si<strong>ch</strong> bei nur<br />

flü<strong>ch</strong>tiger Inaugens<strong>ch</strong>einnahme dieser Texte sehen lassen.<br />

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