12.10.2014 Aufrufe

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Um auf den ersten Satz des 12. Kapitels <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> zurück¬zukommen:<br />

„<strong>Die</strong> Konzeption <strong>der</strong> <strong>Form</strong> liegt im Verlangen zu unters<strong>ch</strong>eiden.“ (SPENCER BROWN 1997:<br />

60)<br />

Da wir diesem Verlangen unentwegt na<strong>ch</strong>gehen, kennen wir nur die eine Seite <strong>der</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>eidung <strong>Form</strong>/Leere. Um die an<strong>der</strong>e Seite kennen lernen zu können, müssen wir uns<br />

darin üben, das Denken zu beruhigen. Das heißt, das Denken als sol<strong>ch</strong>es zu erfahren, den<br />

Gedanken selbst ni<strong>ch</strong>t anzuhaften, na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> das Denken loszulassen. Dazu kann man<br />

die eigenen Wüns<strong>ch</strong>e und Vorstellungen beoba<strong>ch</strong>ten, an denen man haftet. Überwunden<br />

werden sie ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> ihr verurteilen, son<strong>der</strong>n s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> ihr wahrnehmen, dur<strong>ch</strong><br />

Selbsterkenntnis.<br />

<strong>Die</strong> Verwandts<strong>ch</strong>aft (funktionale Äquivalenz) des differenztheoretis<strong>ch</strong>en und den Beoba<strong>ch</strong>ter<br />

eins<strong>ch</strong>ließenden Ansatzes mit zen-buddhistis<strong>ch</strong>en Ans<strong>ch</strong>auungen zeigt si<strong>ch</strong> in folgendem<br />

Zitat:<br />

„Um die Dinge klar zu sehen, müssen wir sie akzeptieren, so wie sie sind – wir müssen den<br />

Seher und das Gesehene als eine Handlung zusammenbringen.“ (DOGEN ZENJI 1998: 34)<br />

Eine Mögli<strong>ch</strong>keit, si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> eigenen unentwegten Denktätigkeit bewusst zu sein, besteht in<br />

<strong>der</strong> Praxis des Zazen. In <strong>der</strong> Bes<strong>ch</strong>reibung <strong>der</strong> Ausübung von Zazen, <strong>der</strong> zentralen Praxis<br />

im Zen-Buddhismus, können wir unters<strong>ch</strong>eiden zwis<strong>ch</strong>en einer inneren und einer äußeren<br />

Haltung.<br />

<strong>Die</strong> äußere, körperli<strong>ch</strong>e Haltung ist aufre<strong>ch</strong>t und entspannt. <strong>Die</strong> Atmung geht in den<br />

Unterbau<strong>ch</strong> (Zwer<strong>ch</strong>fellatmung) und man bewegt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. <strong>Die</strong> innere, geistige (mentale<br />

und emotionale) Haltung ist dur<strong>ch</strong> Wa<strong>ch</strong>sam¬keit ausgezei<strong>ch</strong>net. Ni<strong>ch</strong>t bloß wa<strong>ch</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

im hö<strong>ch</strong>sten Maße aufmerk¬sam – sowohl versunken in den eigenen Körper und die Atmung<br />

bewusst begleitend als au<strong>ch</strong> die Umgebung wahrnehmend. Idealerweise (sic!) ist dieser<br />

Zustand von totaler geistiger Leere gekennzei<strong>ch</strong>net, von Ruhe <strong>der</strong> Gedanken.<br />

Ni<strong>ch</strong>tsdestotrotz ist es irreführend, einem Praktizierenden zu raten, ni<strong>ch</strong>t zu denken. Das<br />

s<strong>ch</strong>eint mir in den ersten Jahren eine frustrie¬rende Unmögli<strong>ch</strong>keit. Denn wir sind gewohnt,<br />

permanent zu denken, wir kennen ni<strong>ch</strong>ts an<strong>der</strong>es. Wenn zu denken entspri<strong>ch</strong>t, na<strong>ch</strong> etwas<br />

zu greifen, dann können wir sagen, dass wir keine an<strong>der</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keit kennen, mit etwas<br />

umzugehen, als dana<strong>ch</strong> zu greifen.<br />

Mit <strong>der</strong> Zeit, wenn wir uns (wie<strong>der</strong>) daran gewöhnt haben, einfa<strong>ch</strong> nur aufmerksam und<br />

vorurteilslos mit allem zu sein, was unserer Aufmerksam¬keit „begegnet“, wird unser Sein in<br />

<strong>der</strong> Welt einfa<strong>ch</strong>, s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t, unbes<strong>ch</strong>wert und harmonis<strong>ch</strong> sein. Wie ein Fluss, <strong>der</strong> aus si<strong>ch</strong><br />

heraus, ohne geplante Steuerung, si<strong>ch</strong> je<strong>der</strong> Gegebenheit perfekt anpasst.<br />

Zu einer letzten Unters<strong>ch</strong>eidung: In <strong>der</strong> heutigen Welt s<strong>ch</strong>eint es Konsens zu sein, dass die<br />

Erfüllung von Wüns<strong>ch</strong>en zu einem glückli<strong>ch</strong>en Leben führt. Buddha erkannte demgegenüber<br />

gerade in Wüns<strong>ch</strong>en die Ursa<strong>ch</strong>e für Leid. Wüns<strong>ch</strong>e halten einen gerade davon ab, jetzt<br />

glückli<strong>ch</strong> und zufrieden zu sein, wertfrei alles zu nehmen, wie es kommt, und total in dem<br />

Umgang mit <strong>der</strong> Welt aufzugehen. Dazu bedarf es ni<strong>ch</strong>ts als <strong>der</strong> Fähigkeit, in Stille<br />

(gedankli<strong>ch</strong>er: Abwesenheit von Geräus<strong>ch</strong>en ist ni<strong>ch</strong>t gemeint) im Hier-Jetzt zu verweilen.<br />

Deshalb beruht Zen au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf S<strong>ch</strong>riften, kennt keine Dogmen o<strong>der</strong> wahre Sätze.<br />

Wahrheit ist gelebte Wahrheit. Zen basiert darauf, Stille o<strong>der</strong> Leere in si<strong>ch</strong> zu finden, das<br />

heißt: Zazen zu praktizieren.<br />

Wir können die Laws of <strong>Form</strong> zusammenfassen als:<br />

> Triff eine Unters<strong>ch</strong>eidung und Du ers<strong>ch</strong>affst ein Universum. <<br />

Bei Linji fand i<strong>ch</strong> den verblüffend ähnli<strong>ch</strong>en Ausspru<strong>ch</strong>:<br />

113

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!