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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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Grundsätzli<strong>ch</strong> gibt es beliebig viele Beoba<strong>ch</strong>tungsebenen: Beoba<strong>ch</strong>tung von Dingen,<br />

Definitionen, Ideen etc. (Beoba<strong>ch</strong>tung erster Ordnung), Beoba<strong>ch</strong>tung von Beoba<strong>ch</strong>tung von<br />

Dingen (Beoba<strong>ch</strong>tung zweiter Ordnung) usw. Da Beoba<strong>ch</strong>tung immer ein Treffen von<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen impliziert, hat jede Beoba<strong>ch</strong>tung aber zuglei<strong>ch</strong> die <strong>Form</strong> des Beoba<strong>ch</strong>tens<br />

erster Ordnung. Als qualitativ unters<strong>ch</strong>ieden werden ledigli<strong>ch</strong> die Ebenen <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung<br />

von Dingen und <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung von Beoba<strong>ch</strong>tung verstanden.<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung erster Ordnung ermögli<strong>ch</strong>t in jedem Fall eine Beoba<strong>ch</strong>tung zweiter Ordnung.<br />

Wir können je<strong>der</strong>zeit unsere Aufmerksamkeit darauf ri<strong>ch</strong>ten, wie wir selbst o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

gerade beoba<strong>ch</strong>teten. <strong>Die</strong>s spiegelt si<strong>ch</strong> darin, dass das Treffen einer Unters<strong>ch</strong>eidung einem<br />

zweiten Beoba<strong>ch</strong>ter in jedem Fall erlaubt, die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tendem und<br />

Beoba<strong>ch</strong>tetem zu treffen.<br />

<strong>Die</strong> beiden Ebenen <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung können wir in <strong>der</strong> <strong>Form</strong> <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> wie<strong>der</strong>finden:<br />

Der Spencer Browns<strong>ch</strong>e „Kalkül <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung“ ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, dass Unters<strong>ch</strong>eidungen<br />

ni<strong>ch</strong>t nur das An<strong>der</strong>e des Bezei<strong>ch</strong>¬neten (die an<strong>der</strong>e Seite <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung), son<strong>der</strong>n<br />

au<strong>ch</strong> das An<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung immer mit si<strong>ch</strong> führen. Das heißt beispielsweise für die<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung des Kalküls, dass er eine Grenze zieht, die Mögli<strong>ch</strong>keiten bes<strong>ch</strong>ränkt,<br />

auswählt. Wir können davon spre<strong>ch</strong>en, dass die <strong>Form</strong> des Kalküls au<strong>ch</strong> immer mitführt, was<br />

<strong>der</strong> Kalkül ni<strong>ch</strong>t ist. Deshalb ermögli<strong>ch</strong>t er Bere<strong>ch</strong>nungen, in denen er selbst no<strong>ch</strong> einmal<br />

vorkommt als das, was er (zunä<strong>ch</strong>st) ni<strong>ch</strong>t erfasste. <strong>Die</strong>ses Unbezei<strong>ch</strong>nete, die an<strong>der</strong>e Seite<br />

dessen, was wir im und mit dem Kalkül unters<strong>ch</strong>eiden und anzeigen, ist das „An<strong>der</strong>e“ <strong>der</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>tung und <strong>der</strong> Verknüpfung von Beoba<strong>ch</strong>tung, also das „An<strong>der</strong>e“ <strong>der</strong> Erkenntnis. Es<br />

entzieht si<strong>ch</strong> unseren Versu<strong>ch</strong>en einer begriffli<strong>ch</strong>en Annäherung dur<strong>ch</strong> Rationalität und<br />

bestimmendes Denken.<br />

Also: Das auf Unters<strong>ch</strong>eidungen beruhende Bes<strong>ch</strong>reibungs- und Erklä¬rungsmuster lässt<br />

si<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> auf Unters<strong>ch</strong>eidungen selbst anwenden, das heißt, wie gesagt, dass wir<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen unters<strong>ch</strong>eiden können. Dann ist eine Unters<strong>ch</strong>eidung die bezei<strong>ch</strong>nete<br />

Einheit <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung, die wir (gerade) treffen. Wir unters<strong>ch</strong>eiden „diese“<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung von an<strong>der</strong>en Unters<strong>ch</strong>eidungen. Des Weiteren kann dieses<br />

Bes<strong>ch</strong>reibungs¬muster, diese <strong>Form</strong>theorie si<strong>ch</strong> selbst als vers<strong>ch</strong>ieden von an<strong>der</strong>en<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten betra<strong>ch</strong>ten, zu bes<strong>ch</strong>reiben und zu erklären, was ist. Von daher kann es au<strong>ch</strong><br />

keinen Vorrang beanspru<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s mit „Theorien“ in Konkurrenz treten. In Frage<br />

steht ni<strong>ch</strong>t mehr die Wahrheit einer Theorie, son<strong>der</strong>n was man mit ihr erkennen kann.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Paradoxie</strong>n des Beoba<strong>ch</strong>ters und <strong>der</strong> Welt<br />

Wir führen zwei <strong>Paradoxie</strong>n an, die mit selbstbeoba<strong>ch</strong>tenden Systemen einhergehen. Der<br />

Beoba<strong>ch</strong>ter ist ein beoba<strong>ch</strong>tendes System, das fähig ist, si<strong>ch</strong> selbst zu beoba<strong>ch</strong>ten. Im Sinne<br />

<strong>der</strong> vorangegangenen Überlegungen zu Unters<strong>ch</strong>eidungs- und <strong>Paradoxie</strong>begriffen treffen wir<br />

au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Selbst¬beoba<strong>ch</strong>tung eines Beoba<strong>ch</strong>ters, das heißt eines Systems, auf<br />

<strong>Paradoxie</strong>n.<br />

Bei dem Versu<strong>ch</strong> eines Beoba<strong>ch</strong>ters, si<strong>ch</strong> selbst vollständig zu beoba<strong>ch</strong>ten, das heißt si<strong>ch</strong><br />

selbst als Ganzheit o<strong>der</strong> Einheit o<strong>der</strong> Aktualität in den Blick zu bekommen, unterwan<strong>der</strong>t er<br />

eine Grenze. <strong>Die</strong> entstehende Oszillation wird hier mit <strong>Paradoxie</strong> des Beoba<strong>ch</strong>ters<br />

bezei<strong>ch</strong>net. Wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> selbst beoba<strong>ch</strong>te, kann i<strong>ch</strong> zum Beispiel sehen, ob i<strong>ch</strong> glückli<strong>ch</strong><br />

o<strong>der</strong> traurig, aufgeregt o<strong>der</strong> ruhig, krank o<strong>der</strong> gesund etc. bin, worauf au<strong>ch</strong> immer i<strong>ch</strong> gerade<br />

a<strong>ch</strong>te. Was i<strong>ch</strong> aber in dem Augenblick <strong>der</strong> (Selbst-) Beoba<strong>ch</strong>tung prinzipiell ni<strong>ch</strong>t sehen<br />

kann, ist die Ganzheit o<strong>der</strong> Einheit meiner selbst. In <strong>der</strong> Selbstbeoba<strong>ch</strong>tung muss si<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>ter selbst in zwei Zustände unterteilen: den beoba<strong>ch</strong>teten und den beoba<strong>ch</strong>tenden.<br />

Wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> selbst beoba<strong>ch</strong>te, unterteile i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> – dessen bewusst o<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t – in zwei<br />

Aspekte, weil i<strong>ch</strong> dann zuglei<strong>ch</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>¬teter bin. Damit bin i<strong>ch</strong> als<br />

einheitli<strong>ch</strong>es Ganzes ni<strong>ch</strong>t mehr fassbar, gerade weil i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> (als Ganzes) in den Blick zu<br />

nehmen versu<strong>ch</strong>e. I<strong>ch</strong> muss mi<strong>ch</strong> getrennt haben, um mi<strong>ch</strong> sehen zu können. <strong>Die</strong> Ganzheit<br />

kann i<strong>ch</strong> also niemals <strong>der</strong>art in den Fokus bekommen. Das glei<strong>ch</strong>e gilt für die Beoba<strong>ch</strong>tung<br />

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