Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einführung von Ausdrücken, also Unters<strong>ch</strong>eidungen, in ihren eigenen Raum,<br />
gelangen wir zu den Ideen von Raum und Zeit, wie sie unserer alltägli<strong>ch</strong>en Erfahrung<br />
entspre<strong>ch</strong>en.<br />
„Was wir aus den <strong>Form</strong>en o<strong>der</strong> Ausdrücken auf dieser Stufe ersehen, könnte, obwohl<br />
erkennbar, als vereinfa<strong>ch</strong>te Vorläufer dessen angesehen werden, was wir in den<br />
physikalis<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aften für die Wirkli<strong>ch</strong>keit halten.“ (SPENCER BROWN 1997: 87)<br />
<strong>Die</strong> Oszillation des imaginären Wertes definiert den Ursprung unseres Konzeptes von Zeit.<br />
<strong>Die</strong> Oszillation ist selbst ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on Zeit (im Sinne des Alltagsverständnisses), weil ihr ein<br />
Maß fehlt. <strong>Die</strong>se ursprüngli<strong>ch</strong>e Zeit hat no<strong>ch</strong> keine Dauer, ihre Intervalle sind we<strong>der</strong> kurz<br />
no<strong>ch</strong> lang, sie ist ledigli<strong>ch</strong> das We<strong>ch</strong>seln <strong>der</strong> Zustände. Sie wird dur<strong>ch</strong> bzw. als Oszillation<br />
zwis<strong>ch</strong>en zwei Zuständen gemessen. Da die Oszillation keine Dauer hat, können wir sie uns<br />
beliebig s<strong>ch</strong>nell o<strong>der</strong> langsam vorstellen. <strong>Die</strong> Oszil¬lation hat keine Frequenz. Sie ist das<br />
Hin-und-her, die Zeit ohne Zeit¬gebrau<strong>ch</strong>. <strong>Die</strong> Oszillation unterwan<strong>der</strong>t die Unters<strong>ch</strong>eidung,<br />
die die Seiten hervorbringt, zwis<strong>ch</strong>en denen die Oszillation stattfindet – und insofern hält die<br />
Oszillation die Unters<strong>ch</strong>eidung aufre<strong>ch</strong>t und hebt sie auf. In <strong>der</strong> Zeit werden die beiden<br />
Seiten einer oszillierenden Unters<strong>ch</strong>eidung unters<strong>ch</strong>ieden und verweisen aufeinan<strong>der</strong>.<br />
Raum und Zeit im Sinne des Alltagsverständnisses sind, was ges<strong>ch</strong>ieht, wenn man die Ideen<br />
einer Unters<strong>ch</strong>eidung bzw. des We<strong>ch</strong>selns <strong>der</strong> Seiten einer Unters<strong>ch</strong>eidung häufig genug in<br />
sie selbst einführt. Das alltägli<strong>ch</strong>e Konzept von Zeit, die ein Maß, eine Dauer hat, das o<strong>der</strong><br />
die gemessen werden kann, kommt nur zustande, indem die Dauer mit einer an<strong>der</strong>en Zeit<br />
gemessen wird. Ebenso bedarf es für unsere räumli<strong>ch</strong>en Vorstellungen eines Maßes, einer<br />
Einheit, die als Bezugspunkt dient. Um die Zeit zu erleben, um also das Konzept von Dauer<br />
zu erhalten, muss man das Konzept <strong>der</strong> Zeit in si<strong>ch</strong> selbst einführen. Man kann Dauer nur<br />
mit einer an<strong>der</strong>en Zeit messen. Zeit als sol<strong>ch</strong>e ist ni<strong>ch</strong>t erfahrbar o<strong>der</strong> beoba<strong>ch</strong>tbar. Zeit<br />
„zeigt“ si<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Zuständen. Das heißt aber au<strong>ch</strong>, dass Zeit eine<br />
notwendige <strong>Form</strong> für die Wahrnehmung von Verän<strong>der</strong>ungen ist.<br />
Ebenso verhält es si<strong>ch</strong> mit Raum. Alle Konzepte von Raum, Zeit, Größe usw. erhält man<br />
dadur<strong>ch</strong>, dass man das Konzept des Unters<strong>ch</strong>iedes häufig genug in si<strong>ch</strong> selbst einführt.<br />
Man kann das Entstehen von Raum und Zeit lei<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> o<strong>der</strong> textli<strong>ch</strong> vorführen<br />
bzw. darstellen und damit ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, da die Spra<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> Theorie ni<strong>ch</strong>t Raum<br />
und Zeit hervorbringen kann. Nur indem wir Unters<strong>ch</strong>eidungen tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> treffen, wie wir es<br />
als Lebewesen unent¬wegt tun, bringen wir Raum und Zeit hervor. Das heißt, jetzt, wenn<br />
dieser Text ges<strong>ch</strong>rieben o<strong>der</strong> gelesen wird, sind Raum und Zeit s<strong>ch</strong>on da. Man kann ni<strong>ch</strong>t<br />
dur<strong>ch</strong> Kalkulationen mit <strong>Form</strong>en etwas finden o<strong>der</strong> erzeugen und dann feststellen: „das ist ja<br />
Zeit“ o<strong>der</strong> „das ist ja Raum“. Es ist ledig¬li<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong> zu erkennen, dass den Konzepten von<br />
Raum und Zeit die Idee <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung zugrunde liegt. Über die Idee <strong>der</strong><br />
Unters<strong>ch</strong>eidung kann man Zeit und Raum verstehen.<br />
Wir finden also: Zeit ist imaginär, Hier-Jetzt ist real.<br />
Existenz und Wahrheit<br />
Mit dem Begriff <strong>der</strong> Existenz wird übli<strong>ch</strong>erweise auf den Umstand Bezug genommen, dass<br />
wir Mens<strong>ch</strong>en in einer Realität leben, <strong>der</strong>en (äußere) Ers<strong>ch</strong>einung unserer Beoba<strong>ch</strong>tung<br />
zugängli<strong>ch</strong> und <strong>der</strong>en Ers<strong>ch</strong>einung objektiv, also unabhängig von uns ist. Wir s<strong>ch</strong>einen ni<strong>ch</strong>t<br />
umhin zu können, unsere Lebenspraxis in <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong>art zu vollziehen, als wenn<br />
da etwas wäre, mit dem wir psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> und physis<strong>ch</strong> umgehen. Somit untermauert <strong>der</strong> Begriff<br />
<strong>der</strong> Existenz eine Unters<strong>ch</strong>eidung als gegeben – als wirkli<strong>ch</strong> vor aller Beoba<strong>ch</strong>tung: Der<br />
Beoba<strong>ch</strong>ter und das Beoba<strong>ch</strong>tete seien grundvers<strong>ch</strong>ieden. O<strong>der</strong> in einer älteren<br />
Terminologie: Der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Subjekt und Objekt ist. <strong>Die</strong>se Si<strong>ch</strong>t versperrt die<br />
Einsi<strong>ch</strong>t, dass das Beoba<strong>ch</strong>tete ni<strong>ch</strong>t das Beoba<strong>ch</strong>tete ist, wenn es ni<strong>ch</strong>t beoba<strong>ch</strong>tet wird;<br />
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