Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Das heißt: Über die Figur des re-entry, die im 11. Kapitel gefunden wurde, kann die<br />
Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Theorie und Gegenstand <strong>der</strong> Theorie unterwan<strong>der</strong>t werden: <strong>Die</strong><br />
Theorie ist Gegenstand ihrer selbst. Wir können daraufhin Theorien dana<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden,<br />
ob sie selbst in ihrem Gegenstandsberei<strong>ch</strong> auftreten o<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t.<br />
Wollen wir über den Anfang reflektieren, den etwa die Axiome in mathematis<strong>ch</strong>en Systemen<br />
wi<strong>der</strong>spiegeln, benötigen wir entwe<strong>der</strong> eine weitere Theorie – und in gewissem Sinne<br />
mä<strong>ch</strong>tigere, weil die ursprüng¬li<strong>ch</strong>e Theorie umfassende bzw. begründende –, o<strong>der</strong> die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit, selbstbezügli<strong>ch</strong>e Aussagen zuzulassen, so dass wir den Anfang dur<strong>ch</strong> sie selbst<br />
beoba<strong>ch</strong>ten können. Wir können an dieser Stelle festhalten, dass eine Theorie, die<br />
Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t zulässt, immer in irgendeiner <strong>Form</strong> Gegebenes annimmt, nämli<strong>ch</strong><br />
das, womit sie beginnt. In <strong>der</strong> Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Erkenntnistheorien sind das beispielsweise<br />
Ideen, Kategorien o<strong>der</strong> Materie, in <strong>der</strong> Mathematik zumeist logis<strong>ch</strong>e Grundannahmen. Mit<br />
den Laws of <strong>Form</strong> wird angenommen, dass eine Unters<strong>ch</strong>eidung getroffen werden kann, und<br />
herausgearbeitet, was daraus folgt, wenn eine Unters<strong>ch</strong>eidung getrof¬fen wird. Damit wird<br />
die Aufmerksamkeit von äußeren „Dingen“, <strong>der</strong>en Vorhanden- o<strong>der</strong> Wahrsein angenommen<br />
werden muss, auf die innere Gewissheit gelenkt, dass wir tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> unentwegt<br />
Unters<strong>ch</strong>eidungen treffen und gebrau<strong>ch</strong>en – und uns das in <strong>Form</strong> von Gefühlen, Gedanken,<br />
Wahrnehmungen etc. „begegnet“.<br />
Es ist bedenkenswert, ob man in selbstbezügli<strong>ch</strong>en Theorien überhaupt von einem Anfang<br />
spre<strong>ch</strong>en kann. Denn: Wir können so weit gehen zu sagen, dass si<strong>ch</strong> die Frage o<strong>der</strong> das<br />
Problem des Anfanges nur stellt, wenn wir von einer Wirkli<strong>ch</strong>keit ausgehen, die dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />
ist, da nur eine un-bedingte – also voraussetzungslose – Tatsa<strong>ch</strong>e einen Anfang (im<br />
Wort¬sinne) markieren kann. Wenn wir hingegen die Beoba<strong>ch</strong>tung selbst beoba<strong>ch</strong>ten,<br />
gelangen wir zur Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit; wir geraten in einen Zirkel. Au<strong>ch</strong> in dieser Hinsi<strong>ch</strong>t<br />
sollten wir bezügli<strong>ch</strong> des Browns<strong>ch</strong>en Kalküls statt von Anfang von Eintritt spre<strong>ch</strong>en; und <strong>der</strong><br />
besteht – wie wir gesehen haben – in <strong>der</strong> Annahme, dass eine Unters<strong>ch</strong>eidung getroffen<br />
werden kann bzw. dass wir beoba<strong>ch</strong>ten. Aber selbst diese reduzierte Annahme stellt im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> keine Tatsa<strong>ch</strong>e dar, vielmehr wird mit ihnen gezeigt: Wenn wir<br />
eine Unters<strong>ch</strong>eidung treffen, dann folgen die dargestellten Gesetze – und wir sehen am<br />
Ende, dass wir beoba<strong>ch</strong>tet haben. Auf diese Weise umgeht George Spencer Brown das<br />
Dilemma, etwas als Anfang deklarieren zu müssen. <strong>Die</strong> Laws of <strong>Form</strong> sind zirkulär und<br />
selbstbestätigend.<br />
Teil II: Zu den Grundlagen <strong>der</strong> Mathematik:<br />
<strong>Die</strong> <strong>Form</strong> <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong><br />
Vor über 100 Jahren geriet die Mathematik in eine Krise über ihre eigenen Grundlagen. Das<br />
war ein überaus brisantes Problem, denn <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong>, ein brau<strong>ch</strong>bares Fundament für<br />
Mathematik zu finden bzw. zu s<strong>ch</strong>affen, war in weiten Mathematiker-Kreisen ein<br />
bedeutendes Thema. Seit etwa 50 Jahren gibt es kaum mehr Forts<strong>ch</strong>ritte auf diesem Gebiet,<br />
so dass <strong>der</strong> Zweig <strong>der</strong> Mathematik, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> damit bes<strong>ch</strong>äftigt, wel<strong>ch</strong>e anfängli<strong>ch</strong>en<br />
Setzungen benötigt werden, damit alle an<strong>der</strong>en Zweige angemessen entwickelt werden<br />
können, also das Fundament <strong>der</strong> Mathematik, seitdem ein S<strong>ch</strong>attendasein führt.<br />
Es geht in diesem Kapitel um einen Beitrag zur Grundlagenkrise <strong>der</strong> Mathematik aus<br />
indikationslogis<strong>ch</strong>er Perspektive. Zunä<strong>ch</strong>st wird aufge¬zeigt, dass eine fundamentale<br />
Mathematik wie die Primäre Arithmetik und Algebra allgemeiner ist als jegli<strong>ch</strong>e Logik.<br />
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