Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Das heißt: Um festzulegen, was ein Ding ist, benötigt man eine Grenze o<strong>der</strong><br />
Unters<strong>ch</strong>eidung, die mit festlegt, was die an<strong>der</strong>e Seite ist, das, was das Ding ni<strong>ch</strong>t ist.<br />
Damit sind au<strong>ch</strong> Alles (<strong>Form</strong>) und Ni<strong>ch</strong>ts ( ) <strong>der</strong> <strong>Form</strong> na<strong>ch</strong> identis<strong>ch</strong>.<br />
Das Ni<strong>ch</strong>ts – bzw. die Leere – repräsentiert den Zustand, in dem alle Unters<strong>ch</strong>eidungen<br />
aufgehoben sind; dieser Raum enthielte keine Unter¬s<strong>ch</strong>iede, hätte keinerlei Eigens<strong>ch</strong>aft –<br />
ni<strong>ch</strong>t einmal die, ein Raum o<strong>der</strong> eigens<strong>ch</strong>aftslos zu sein. Und er hätte ebenso ni<strong>ch</strong>t die<br />
Eigens<strong>ch</strong>aft, diese Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t zu besitzen usw. <strong>Die</strong>ser Zustand wäre<br />
bewegungslos, weil jede Bewegung o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung anzeigen würde, dass dort etwas<br />
wäre, was si<strong>ch</strong> verän<strong>der</strong>t, und damit ni<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>ts.<br />
Das Alles steht für den Zustand, in dem alle Unters<strong>ch</strong>eidungen getroffen sind. <strong>Die</strong>sem<br />
könnte ni<strong>ch</strong>ts hinzugefügt werden, was er ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on enthielte, da er jede Unters<strong>ch</strong>eidung<br />
s<strong>ch</strong>on getroffen hat; au<strong>ch</strong> er wäre deshalb bewegungslos, weil er s<strong>ch</strong>on alles enthält. Er<br />
kann si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr verän<strong>der</strong>n, weil er jede Verän<strong>der</strong>ung s<strong>ch</strong>on enthält. Ihm kann ni<strong>ch</strong>ts<br />
hinzu¬gefügt werden, ohne dass er vorher ni<strong>ch</strong>t alles gewesen wäre.<br />
<strong>Die</strong> Struktur <strong>der</strong> formalen Identität zwis<strong>ch</strong>en Allem und Ni<strong>ch</strong>ts können wir au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Zeit-<br />
Diskussion finden (siehe die entspre<strong>ch</strong>enden Abs<strong>ch</strong>nitte in I. 4.: „Der re-entry und <strong>der</strong><br />
imaginäre Wert“, S. 93f., und III. 2.: „Zeit und Raum“, S. 163ff.). Da Unendli<strong>ch</strong>keit (in <strong>der</strong> Zeit)<br />
kein Ende findet, ist sie aus <strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> <strong>Form</strong> <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>eiden<br />
von Zeitlosigkeit, die ebenfalls keinen Unters<strong>ch</strong>ied in <strong>der</strong> Zeit ma<strong>ch</strong>t.<br />
Auf <strong>der</strong> Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> dem Außerhalb <strong>der</strong> <strong>Form</strong> stoßen wir an eine Grenze: Aus <strong>der</strong> <strong>Form</strong><br />
heraustreten zu wollen, würde erfor<strong>der</strong>n, eine Unter¬s<strong>ch</strong>eidung zu treffen, die das Treffen<br />
von Unters<strong>ch</strong>eidungen von an<strong>der</strong>em unters<strong>ch</strong>eidet, und das heißt immer s<strong>ch</strong>on, in eine neue<br />
<strong>Form</strong> einzutreten, eben eine Unters<strong>ch</strong>eidung zu treffen. Alles, was unsere Welt war und ist<br />
und sein wird, ist <strong>Form</strong>. Der Gegensatz ist dann das Undenkbare o<strong>der</strong> das Ni<strong>ch</strong>t-Denken.<br />
Ni<strong>ch</strong>ts ist unabhängig von dem Bewusstsein, das es wahrnimmt.<br />
<strong>Die</strong> Doppeldeutigkeit dieser These liegt in <strong>der</strong> Lesart des „ni<strong>ch</strong>ts“ als Substantiv (groß<br />
ges<strong>ch</strong>rieben) o<strong>der</strong> Indefinitpronomen (klein ges<strong>ch</strong>rieben). Als Bes<strong>ch</strong>reibung des Ni<strong>ch</strong>ts trifft<br />
die Aussage zu, denn nur Ni<strong>ch</strong>ts ist unabhängig von einem Beoba<strong>ch</strong>ter: wenn es von einem<br />
Bewusstsein abhinge, müsste es etwas sein, also ni<strong>ch</strong>t Ni<strong>ch</strong>ts. Eben darauf, dass<br />
Wahr¬nehmung immer auf Trennung/Unters<strong>ch</strong>eidung, was niemals ni<strong>ch</strong>ts ist, beruht, basiert<br />
die zweite Lesart <strong>der</strong> Aussage: Was au<strong>ch</strong> immer (von jemandem) wahrgenommen wird, ist<br />
abhängig von dem wahrnehmenden Bewusstsein/Beoba<strong>ch</strong>ter. O<strong>der</strong> mit Niklas Luhmann:<br />
„<strong>Die</strong> Erkenntnis projiziert Unters<strong>ch</strong>iede in eine Realität, die keine Unters<strong>ch</strong>iede kennt.“<br />
(LUHMANN 1988a: 38)<br />
In den Laws of <strong>Form</strong> geht es um den Na<strong>ch</strong>weis, dass die Welt dur<strong>ch</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung<br />
konstruiert wird. Damit ist ni<strong>ch</strong>t beabsi<strong>ch</strong>tigt, dem, was wir wahrnehmen, die Gültigkeit<br />
abzuspre<strong>ch</strong>en, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erkenntnis Ausdruck zu verleihen, dass wir Beoba<strong>ch</strong>ter dur<strong>ch</strong><br />
die Unters<strong>ch</strong>eidungen, die wir treffen, das Beoba<strong>ch</strong>tete konstruieren und strukturieren. Damit<br />
ist ni<strong>ch</strong>t die Behauptung einer Vorgängigkeit von Beoba<strong>ch</strong>ter o<strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>¬tetem intendiert,<br />
son<strong>der</strong>n ledigli<strong>ch</strong> das Hervorheben bestimmter Erkennt¬nisse, die si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung<br />
<strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung ergeben. Das können wir au<strong>ch</strong> als Ziel von George Spencer Brown in den<br />
Laws of <strong>Form</strong> identifi¬zieren, wenn er s<strong>ch</strong>reibt,<br />
„(...) unser Verständnis eines sol<strong>ch</strong>en Universums kommt ni<strong>ch</strong>t daher, dass wir seine<br />
gegenwärtige Ers<strong>ch</strong>einung entdecken, son<strong>der</strong>n von unserer Erinnerung an das, was wir<br />
ursprüngli<strong>ch</strong> taten, um es hervorzubringen.“ (SPENCER BROWN 1997: 90)<br />
In diesem Zusammenhang bes<strong>ch</strong>reibt George Spencer Brown seine Lehre als<br />
Ri<strong>ch</strong>tigstellung eines alten Irrglaubens, <strong>der</strong> besagt: Da Ni<strong>ch</strong>ts keine <strong>Form</strong> hat, kann Ni<strong>ch</strong>ts<br />
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