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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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unseren Sinnen wahrnehmen, befindet si<strong>ch</strong> die Wahrnehmung in unserem aktuellen<br />

Bewusstsein bzw. ist diese Wahrnehmung unser Bewusstsein, das heißt, die<br />

Aufmerksamkeit ist bei dem Gegenstand unserer Wahrnehmung. <strong>Die</strong>s kann alles sein: ein<br />

Gedanke, eine körperli<strong>ch</strong>e Empfindung o<strong>der</strong> ein Gefühl etc. Nun kann ein (weiterer)<br />

Gedanke auftreten, dass wir mit <strong>der</strong> Aufmerksamkeit „wo-au<strong>ch</strong>-immer“ gewesen sind. Wir<br />

sehen uns selbst als Beoba<strong>ch</strong>ter. Wir könnten beliebig lange fortfahren zu beoba<strong>ch</strong>ten, dass<br />

wir gerade beoba<strong>ch</strong>teten, das heißt unges<strong>ch</strong>riebene Kreuze aufspüren, und erkennen, dass<br />

au<strong>ch</strong> sie in <strong>der</strong> <strong>Form</strong> sind. Re-entry <strong>der</strong> <strong>Form</strong> in die <strong>Form</strong> heißt deshalb, den Beoba<strong>ch</strong>ter zu<br />

entdecken; wahrzunehmen, dass man permanent Zeuge dessen ist, was man erlebt.<br />

Wir können zum Beispiel die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>eidung und Anzeige<br />

beoba<strong>ch</strong>ten , und zwar mit dieser Unters<strong>ch</strong>eidung selbst. Das heißt, wir beoba<strong>ch</strong>ten diese<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung und können erkennen, dass wir für die Beoba<strong>ch</strong>tung unters<strong>ch</strong>eiden und<br />

anzeigen: Wir beoba<strong>ch</strong>ten diese Unters<strong>ch</strong>eidung und ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>e und wir zeigen ihre Seiten<br />

sogar mit Namen an. Wir erkennen mit Beoba<strong>ch</strong>tung die Beoba<strong>ch</strong>tung. Insofern, als es für<br />

die Beoba<strong>ch</strong>tung keine Vorrangigkeit von Unters<strong>ch</strong>eiden o<strong>der</strong> Anzeige gibt, da sie zuglei<strong>ch</strong><br />

stattfinden, kann man davon spre<strong>ch</strong>en, dass Beoba<strong>ch</strong>tung die Einheit <strong>der</strong> Differenz von<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung und Anzeige ist. Sie treten als Beoba<strong>ch</strong>tung nur zusammen und zuglei<strong>ch</strong><br />

auf.<br />

Es lässt si<strong>ch</strong> beoba<strong>ch</strong>ten, dass <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>ter immer gegenwärtig ist. Solange ein System<br />

seine Operationen fortsetzt, das heißt au<strong>ch</strong>: solange es bes<strong>ch</strong>rieben werden kann als in o<strong>der</strong><br />

mit einer Umwelt agierend, ist sein Bewusstsein jetzt. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Wir leben in <strong>der</strong><br />

Gegenwart. Wir können aber no<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden, ob das Bewusstsein mit dem Hier-Jetzt<br />

befasst ist, o<strong>der</strong> ob es denkt – und im Denken auf Vergangenheit o<strong>der</strong> Zukunft bezogen ist.<br />

Man mag denken, dass Denken au<strong>ch</strong> im Hier-Jetzt stattfindet, und zweifelsohne ist das<br />

Gehirn unentwegt jetzt aktiv. Mit <strong>der</strong> <strong>Form</strong>ulierung <strong>der</strong> Distinktheit von Hier-Jetzt und Denken<br />

soll darauf hingewiesen werden, dass ein Sein im Hier-Jetzt frei ist von Wertungen, Motiven<br />

und Zielen. Und also au<strong>ch</strong> frei von einem darauf bezogenen Denken.<br />

<strong>Die</strong>se minimalistis<strong>ch</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen an den Beoba<strong>ch</strong>tungsbegriff impli¬zieren, dass<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung notwendigerweise nur ges<strong>ch</strong>ehen kann, wenn unters<strong>ch</strong>ieden wird. Was au<strong>ch</strong><br />

immer i<strong>ch</strong> beoba<strong>ch</strong>te, kann i<strong>ch</strong> nur beoba<strong>ch</strong>ten, indem i<strong>ch</strong> es von an<strong>der</strong>em unters<strong>ch</strong>eide –<br />

unter Verwendung ganz vers<strong>ch</strong>iedener (und vers<strong>ch</strong>ieden ausdifferenzierter)<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen in Farben, <strong>Form</strong>en, Klängen o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>er Unters<strong>ch</strong>eidungen wie<br />

ri<strong>ch</strong>tig/fals<strong>ch</strong>, bedeutungsvoll/sinnlos, gut/böse etc. Wenn i<strong>ch</strong> beoba<strong>ch</strong>te, unters<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong>.<br />

Da i<strong>ch</strong> aber etwas Bestimmtes beoba<strong>ch</strong>te – und ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>es –, muss i<strong>ch</strong> mehr tun, i<strong>ch</strong><br />

muss ein Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t in die Unter¬s<strong>ch</strong>eidung bringen. Dafür wird hier <strong>der</strong> Begriff<br />

Anzeige verwendet. Wenn i<strong>ch</strong> etwas beoba<strong>ch</strong>te, hebe i<strong>ch</strong> eine Seite hervor.<br />

Wir verallgemeinern diese Einsi<strong>ch</strong>t und erkennen, dass das allgemeinste<br />

Bes<strong>ch</strong>reibungsmuster, das je<strong>der</strong> Wahrnehmung, Erfahrung, Bes<strong>ch</strong>reibung, Erklärung etc. zu<br />

Grunde liegt, die Idee <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung ist. Jedwede Einheit entsteht aus o<strong>der</strong> mit einer<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung; eine Einheit ist, was sie ist, weil sie ni<strong>ch</strong>t ist, was sie ni<strong>ch</strong>t ist. Je<strong>der</strong><br />

„Gegenstand“ – ob Ding o<strong>der</strong> Gedanke o<strong>der</strong> Gefühl etc. – ist nur als Einheit erfahrbar, er<br />

wird als „Etwas“ erfahren; und er ist „Gegenstand“ eines Bewusstseins. Dass er ein „Etwas“<br />

ist, und eben ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>es, ma<strong>ch</strong>t seine Einheit aus.<br />

Vergli<strong>ch</strong>en mit dem Alltagsgebrau<strong>ch</strong> des Begriffes Beoba<strong>ch</strong>tung ist <strong>der</strong> hier verwendete sehr<br />

allgemein; mit ihm gilt, dass man immer irgendetwas beoba<strong>ch</strong>tet. Man kann ni<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t<br />

beoba<strong>ch</strong>ten; Aufmerksamkeit ist immer auf etwas geri<strong>ch</strong>tet. Beoba<strong>ch</strong>tung findet in einem<br />

o<strong>der</strong> für einen o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> einen Beoba<strong>ch</strong>ter immer statt, und zwar: immer jetzt.<br />

Eine spezielle, aber für uns als Beoba<strong>ch</strong>ter grundlegende, weil je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en vorangehende<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung ist die zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>tetem bzw. Selbst und An<strong>der</strong>em.<br />

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