Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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Bes<strong>ch</strong>ränkungen auf Zweiwertigkeit hinausgeht, das sie interessiert. Und es ist <strong>der</strong> Umgang<br />
mit dem Problem <strong>der</strong> Selbstreferenz, das sie dazu bringt, si<strong>ch</strong> mit einer Mathematik und<br />
Logik zu bes<strong>ch</strong>äftigen, die erstmals wie<strong>der</strong> den Eindruck erweckt, ähnli<strong>ch</strong><br />
komplexitätstaugli<strong>ch</strong> zu sein, wie es die Soziologie zur Bes<strong>ch</strong>reibung sozialer Verhältnisse<br />
immer s<strong>ch</strong>on für erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> gehalten hat.“ (BAECKER 2002: 68)<br />
<strong>Die</strong> denkeris<strong>ch</strong>e Nähe zwis<strong>ch</strong>en George Spencer Brown und Niklas Luhmann, die in <strong>der</strong><br />
Differenzlogik gegeben sei, hebt au<strong>ch</strong> Walter Reese-S<strong>ch</strong>äfer hervor. Allerdings reduziert er<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> für die Systemtheorie auf ihre „Erkenntniskonzeption“,<br />
dabei verna<strong>ch</strong>läs¬sigend, dass die Differenzlogik für die gesamte konzeptionelle Anlage <strong>der</strong><br />
Systemtheorie – Differenz statt Einheit – von Bedeutung ist. Unbestritten bleibt, dass Niklas<br />
Luhmann ni<strong>ch</strong>t die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Indikationenkalküls voraussetzen muss (vgl. REESE-<br />
SCHÄFER 2001: 66). Der Luhmanns<strong>ch</strong>e Standpunkt ist eher folgen<strong>der</strong>maßen zu verstehen:<br />
Man kann auf Differen¬zen statt auf Einheiten a<strong>ch</strong>ten und beispielsweise mit <strong>der</strong> Differenz<br />
von System und Umwelt starten. Und: Es gibt einen Mathematiker, <strong>der</strong> versu<strong>ch</strong>t hat, dies<br />
formal und mathematis<strong>ch</strong> korrekt darzustellen. Aus <strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>t von Niklas Luhmann ist es<br />
offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> hilfrei<strong>ch</strong> für ein Verständnis seiner Systemtheorie – sonst würde er George<br />
Spencer Brown ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong>art oft zitieren –, si<strong>ch</strong> mit den Laws of <strong>Form</strong> auseinan<strong>der</strong> zu setzen.<br />
Zusammenfassen (und verkürzen) kann man den Grund für die Positio¬nierung <strong>der</strong> Laws of<br />
<strong>Form</strong> im Zentrum <strong>der</strong> Systemtheorie mit <strong>der</strong> Bedeu¬tung von Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit. Es ist im<br />
Wesentli<strong>ch</strong>en die Fähigkeit des Indikationenkalküls, Selbstreferenz formalisiert zu haben, die<br />
Niklas Luhmann überzeugte – wohl au<strong>ch</strong> deshalb, weil es keinen an<strong>der</strong>en gab, <strong>der</strong> dies zu<br />
leisten fähig und ähnli<strong>ch</strong> erfolgverspre<strong>ch</strong>end (in den ersten Jahren na<strong>ch</strong> Ers<strong>ch</strong>einen) rezipiert<br />
worden war. <strong>Die</strong> Systemtheorie zeigt ja unter an<strong>der</strong>em sehr klar, wie wesentli<strong>ch</strong> das Konzept<br />
<strong>der</strong> Selbstreferenz für eine Theorie des Sozialen, das heißt <strong>der</strong> Kommunikation, wie au<strong>ch</strong> für<br />
Theorien des Bewusstseins, <strong>der</strong> Wahrnehmung u. a. ist.<br />
Da die Systemtheorie ein Subsystem des sozialen Systems <strong>der</strong> Wissen¬s<strong>ch</strong>aft ist, kennt sie<br />
Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t bloß als Merkmal <strong>der</strong> Theorie o<strong>der</strong> ihres Gegenstandes, son<strong>der</strong>n<br />
das Konzept <strong>der</strong> Selbstreferenz ist in den Konstruktionstypus <strong>der</strong> Systemtheorie selbst<br />
integriert. Das heißt, die soziologis<strong>ch</strong>e Theorie muss als Teil dessen, was sie bes<strong>ch</strong>reibt,<br />
si<strong>ch</strong> selbst erfassen.<br />
<strong>Die</strong> in diesem Exkurs entwickelten Feststellungen zum Beoba<strong>ch</strong>ter entspre<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Lesart,<br />
mit <strong>der</strong> Niklas Luhmann das für ihn „Wesentli<strong>ch</strong>e“ <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> formuliert – zumindest<br />
na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lesart des Autors des vorliegenden Textes. Das heißt: Niklas Luhmann verwendet<br />
die Laws of <strong>Form</strong> – also vor allem die Begriffe Unters<strong>ch</strong>eidung, Anzeige (bei Luhmann:<br />
Bezei<strong>ch</strong>nung) und <strong>Form</strong>, sowie die Figur des re-entries und eben die des Beoba<strong>ch</strong>ters – in<br />
angemessener Weise.<br />
Den Exkurs in die Systemtheorie von Niklas Luhmann abs<strong>ch</strong>ließend weisen wir darauf hin,<br />
dass si<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>tetem wie<strong>der</strong> eine<br />
<strong>Form</strong> ergibt. In ihrer Einführung in die Systemtheorie s<strong>ch</strong>reibt Helga Gripp-Hagelstange,<br />
dass<br />
„das Ergebnis des Luhmanns<strong>ch</strong>en Denkens au<strong>ch</strong> so zusammenzufassen ist: Dass wir etwas<br />
als so o<strong>der</strong> so erfahren, liegt in uns selbst begründet.“ (GRIPP-HAGELSTANGE 1997: 120)<br />
Auf den damit angespro<strong>ch</strong>enen Zusammenhang von Beoba<strong>ch</strong>ter und Beoba<strong>ch</strong>tetem<br />
kommen wir im Abs<strong>ch</strong>nitt zu „Zen“ zurück – o<strong>der</strong> vielmehr läuft die „<strong>Form</strong>theorie“ darauf<br />
hinaus. Zuvor beginnen wir mit <strong>der</strong> erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>en Lesart <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong>.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Kohärenz mit <strong>der</strong> Luhmanns<strong>ch</strong>en Systemtheorie kann das Folgende au<strong>ch</strong> als<br />
„systemtheoretis<strong>ch</strong>e Erkenntnistheorie“ gelesen werden, wennglei<strong>ch</strong> wir hier weiter o<strong>der</strong><br />
tiefer gehen. Das liegt daran, dass die <strong>Form</strong>theorie <strong>der</strong> Systemtheorie in dem Sinne<br />
vorgelagert ist, als sie allgemeiner angelegt ist (vgl. LUHMANN 1997: 62). Wir gehen hier<br />
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